Möglicherweise entsteht ein Teil bösartiger Eierstocktumoren in den Eileitern. Experten diskutieren die Konsequenzen

Hamburg. Eierstockkrebs macht sich bei drei Viertel der Patientinnen erst spät bemerkbar. Dann ist der Krebs bereits fortgeschritten und schwieriger zu heilen. Denn Organe wie beispielsweise das Bauchfell oder die Darmhäute können durch das aggressive Wachstum bereits befallen sein. Eine Früherkennungsuntersuchung wie etwa beim Brustkrebs fehlt aber bisher. 2009 erkrankten 193 Frauen in Hamburg an Eierstockkrebs, 129 starben daran. Zum Vergleich: Brustkrebs trat 2009 bei fast 1800 Frauen in Hamburg neu auf, mehr als 400 Patientinnen starben.

Neue Erkenntnisse deuten nun laut Medizinern darauf hin, dass ein Teil der Eierstocktumore (Ovarialkarzinome) ihren Ursprung in den Eileitern hat. Könnten durch vorsorgliche "Mitentfernung" der Eileiter bei bestimmten Eingriffen Krebsfälle vermieden werden? Das wird in der Fachwelt kontrovers diskutiert, von einem möglichen "Paradigmenwechsel in der Prophylaxe des Ovarialkarzinoms" ist die Rede. Das Thema stand kürzlich auf dem Programm einer Tagung in Hamburg.

Während der fruchtbaren Jahre einer Frau machen sich Monat für Monat Eizellen auf den Weg von den Eierstöcken in die Gebärmutter. Dabei passieren sie die Eileiter, die nahe am Eierstock in einer Art Trichter mit Schleimhautfransen beginnen. Diese Trichter sind jetzt verstärkt ins Augenmerk geraten. Vorsorglich entfernte Eileiter und Eierstöcke von Risikopatientinnen für Brust- und Eierstockkrebs waren in den USA untersucht worden. Die Frauen hatten Veränderungen in bestimmten Genen.

Mediziner an einem Krankenhaus in Boston untersuchten Gewebe von 122 solcher Patientinnen. Sieben dieser Frauen hatten ein frühes Karzinom. "Völlig überraschend" seien bösartige Zellen einer bestimmten Krebsart in einem besonders frühen Stadium im Bereich dieser sogenannten Fimbrientrichter gefunden worden, sagt Prof. Thomas Löning, Chef der Pathologie am Albertinen-Krankenhaus. Diese Tumoren machen laut Experten einen großen Teil der Eierstockkrebsarten aus. Weitere Untersuchungen zeigten, dass bei mehr als der Hälfte der Fälle Eileiter und Eierstöcke befallen waren.

Prof. Fritz Jänicke vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) blickt mit Zurückhaltung auf das Thema. "Ich finde das Wort Paradigmenwechsel angesichts der aktuellen Datenlage noch verfrüht." Es könne natürlich sein, dass bestimmte Arten von Eierstockkrebs zuerst im Eileiter entstehen. Aber: "Vielleicht sind die bösartigen Zellen doch auf dem Eierstock entstanden und im weiteren Verlauf vom Eileiter aufgefangen worden?!" Bei Risikopatientinnen, etwa mit den entsprechenden Genen, empfehle das UKE deshalb weiterhin, Eierstöcke und Eileiter zu entfernen.

Die Mediziner diskutieren jedoch nun, was sie für Frauen ohne bekanntes erhöhtes Risiko für Eierstockkrebs tun können. Zwei Gelegenheiten machen die Ärzte aus, bei denen die Eileiter diesen Frauen vorsorglich entfernt werden könnten: bei Sterilisationen und einer Entfernung der Gebärmutter.

In Deutschland wird jährlich bei 140 000 bis 160 000 Frauen die Gebärmutter entfernt, sagt Dr. Claus Peter Moeller von der Tagesklinik Altonaer Straße. Gründe dafür können zum Beispiel Blutungen oder gutartige Tumoren sein. Ein Artikel in der Fachzeitschrift "Frauenarzt" nennt Zahlen aus den USA, wonach der Hälfte der Patientinnen auch Eileiter und Eierstöcke vorsorglich entfernt wurden. Das Verfahren ist aber umstritten. Durch die Entfernung der Eierstöcke werden die Wechseljahre abrupt ausgelöst, dies kann unter anderem mit einem erhöhten Langzeitrisiko für Störungen von Herzkreislauf und Gehirnleistung einhergehen. Die Überlegung ist nun, diesen Frauen zumindest die Eileiter zu entnehmen - und so möglicherweise dem Krebs vorzubeugen, ohne gleich die Wechseljahre in Gang zu setzen.

Moeller plädiert für Studien, um mehr über die Entstehung der Tumoren herauszufinden. "Wir können die Zahl der im Eileiter entstandenen Tumore nicht überprüfen, denn sie sind in der Vergangenheit nicht untersucht worden." Wurden sie vorsorglich entfernt, seien sie sozusagen ein "Abfallprodukt aus dem OP" gewesen. "Wir brauchen eine Studie, in der vorsorglich entfernte Eileiter auf Tumorzellen überprüft werden."

Die zweite Gelegenheit wäre eine Sterilisation. Bei diesem Verfahren zur Empfängnisverhütung werden die Eileiter entweder durchtrennt, oder es wird ein kleines Stück herausgeschnitten. "Es muss diskutiert werden, ob bei Sterilisationen nicht beide Eileiter entfernt werden sollten", plädiert Pathologe Löning. Dies gilt aus seiner Sicht auch für die Entfernung der Gebärmutter. Er sieht darin eine Chance, einen "beträchtlichen Anteil dieser besonders bösartigen Krebserkrankungen in einem frühen Stadium zu heilen, in dem sie aktuell gewöhnlich nicht einmal entdeckt werden." Doch die Zahl der Sterilisationen bei Frauen geht in Deutschland zurück. "Seit Mitte der 90er-Jahre werden die Kosten nicht mehr von den Kassen übernommen. Hatten wir 1994 noch 1600 Sterilisationen an der Tagesklinik Altonaer Straße, so sind es derzeit noch 160 jährlich", sagt Moeller.

Jänicke ist skeptisch, was das vorsorgliche Entfernen der Eileiter bei Frauen unter 55 Jahren angeht, also vor den Wechseljahren. Er würde bei Sterilisationen und bei Gebärmutterentfernungen nicht immer gleich die gesamten Eileiter entfernen. Es gebe Hinweise, dass die Eierstöcke früher aufhören zu arbeiten, wenn bei Frauen vor den Wechseljahren die Eileiter entfernt werden. Sein Fazit: Der Sinn einer vorbeugenden Entfernung bei Frauen ohne erhöhtes Risiko für Eierstock- oder Brustkrebs sei "vor dem Hintergrund der Seltenheit der Erkrankung jedenfalls umstritten".

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