Seit 60 Jahren sagt der Deutsche Wetterdienst Sonnenschein, Wolken und Regen voraus. Heutzutage mithilfe von Hochleistungsrechnern.

Hamburg/Offenbach. In diesem Jahr feiert der Deutsche Wetterdienst (DWD) sein 60-jähriges Bestehen. Während die Meteorologen in den Anfangsjahren ohne Computerhilfe das Wetter anhand von grafisch aufbereiteten Messdaten vorhersagten, stehen ihnen heute Hochleistungsrechner und Satellitenbeobachtungen zur Verfügung. Doch mit den Prognosemöglichkeiten wuchsen auch die Anforderungen an den staatlichen Wetterdienst mit Hauptsitz in Offenbach. Die Vorhersagen werden in Zukunft immer detaillierter und auf die einzelnen Kunden zugeschnitten ausgewertet, sagte DWD-Präsident Professor Gerhard Adrian bei einem Besuch des Abendblattes. Dadurch eröffneten sich neue Geschäftsfelder für private Wetterdienstleister, so Adrian.

"Heute sind unsere Sieben-Tages-Vorhersagen so treffgenau wie die 24-Stunden-Prognosen im Jahr 1967", betont der Meteorologe. Damals wurde der erste Computer eingesetzt, um die Wetterentwicklung hochzurechnen. Inzwischen sind Welt-, Europa- und Deutschlandmodelle miteinander verzahnt, und das in immer höheren Auflösungen. Neben den Daten von Tausenden Wetterstationen rund um den Globus fließen der Zustand der Atmosphäre über den Ozeanen und deren Oberflächentemperatur in die Rechnungen mit ein. Das deutsche Vorhersagemodell errechnet alle sechs Stunden eine neue Wetterlage in einer relativ hohen Auflösung, in einem Raster von 2,8 mal 2,8 Kilometer.

Der DWD

Trotz all der Technik halten sich Sonne, Wind und Regen nicht immer an die Prognosen. "Im Winter ist das Wetter besser vorherzusagen als im Sommer", erklärt Adrian. Zur kalten Jahreszeit seien die Luftbewegungen in der Atmosphäre großräumiger, im Sommer gebe es dagegen häufig lokale Phänomene wie Gewitter. Sie entstehen innerhalb weniger Stunden und setzen oftmals nur beschränkte Bereiche - in Hamburg nur einzelne Stadtteile - unter Wasser. Damit können sie durch das Vorhersageraster fallen. Deshalb behelfen sich die Wetterkundler für ihre Tagesprognosen damit, zu prüfen, ob Gewitterbedingungen herrschen werden. Sie sprechen von Gewitterneigung oder -wahrscheinlichkeit.

Während kurzfristige und kleinräumige Ereignisse systembedingt von den Modellen schwer zu erfassen sind, ließen sich andere Einflussfaktoren besser integrieren, wenn mehr reale Messdaten vorhanden wären. Das gilt zum Beispiel für die Bodenfeuchte. Adrian: "Wo der Boden sehr trocken ist, entwickelt sich kein Gewitter. Haben wir zu einem Zeitpunkt Niederschlag vorhergesagt, aber es ist in bestimmten Gegenden keiner gefallen, so rechnet das Modell für diese Gebiete mit einer zu hohen Bodenfeuchte, denn es orientiert sich an den eigenen Regenprognosen. Dieser Fehler kann über Wochen mitgeschleppt werden."

Die Wetter-Hochrechnungen sind also noch nicht perfekt. Gleichzeitig müssen sie immer detailliertere Vorhersagen produzieren. Gerhard Adrian nennt als Beispiel die Windkraftanlagen: "Bis vor einigen Jahren waren Angaben zum Windenergie-Ertrag an einzelnen Standorten gefragt. Heute geht es darum, die Netze zu stabilisieren, in die inzwischen große Mengen des unsteten Windstroms eingespeist werden. Dazu brauchen wir Wetterdaten im Viertelstundentakt - für jeden einzelnen Einspeisepunkt." Um eine solche Genauigkeit annähernd zu erreichen, benötigen die Modelle noch mehr Anfangsdaten, bevor sie die Entwicklung berechnen. Dazu sollen Tausende Windmessungen von den Rotoren in die DWD-Computer einfließen. Ein solches Projekt sei angestoßen, einige Anlagen seien bereits integriert, so Adrian.

Fast schon ein alter Hut ist die Medizinmeteorologie. Sie ist heute zentral in Freiburg angesiedelt, wurde in den 1980er-Jahren aber auch in Hamburg betrieben. Der medizinmeteorologische Dienst wende sich bewusst nicht an die Öffentlichkeit, sondern vor allem an Ärzte, Krankenhäuser, Altenheime, Rettungsdienste, sagte Adrian. Das entscheidende Kriterium sei die Energiebilanz, die Wärmebelastung des Körpers. Sie ergibt sich aus der Strahlungswärme, der Lufttemperatur und -feuchte. Ist Letztere besonders hoch, kann der Körper weniger gut schwitzen, die Luft wird als schwül empfunden.

Einen traurigen Höhepunkt erlebte die Medizinmeteorologie 2003, als eine Hitzewelle in Europa geschätzte 35 000 Todesfälle verursachte. Adrian: "Das führte dazu, dass wir in Deutschland ein Hitzewarnsystem eingeführt haben. Werden kritische Werte erreicht, senden wir unseren Kunden die Warnungen zu, entweder dezentral oder über die jeweiligen Gesundheitsämter. Es gibt zwei Warnstufen: 32 Grad und 38 Grad gefühlte Temperatur, abgeleitet aus der Energiebilanz."

Medizinisch begründet ist auch die Pollenflugvorhersage in Zusammenarbeit mit der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst. Sie zeigt im Internet ( www.pollenstiftung.de ) die geografische Verteilung und Intensität des Fluges von den sieben allergologisch wichtigsten Blütenpollen (Hasel, Erle, Birke, Süßgräser, Roggen, Beifuß und Ambrosia).

Auch die zu erwartende UV-Strahlung prognostiziert der DWD, errechnet aus dem Grad der Bewölkung und der räumlichen Verteilung der Ozonkonzentration in der oberen Atmosphäre. Auch hier gibt es ein Warnsystem, denn der wissenschaftliche Zusammenhang zwischen der UV-Belastung und der menschlichen Gesundheit ist belegt.

Schwieriger wird es bei der Wetterfühligkeit. "In Süddeutschland leiden viele Menschen unter Föhnwetterlagen. Eine Wirkung auf den Menschen ist offenbar vorhanden, aber ihre Ursache ist unklar." Föhnwind - warmer, trockener Fallwind auf der Leeseite von Gebirgen - gibt es übrigens auch in Norddeutschland: "In seltenen Fällen erreicht uns der Norwegen-Föhn und sorgt in Hamburg und Schleswig-Holstein für wolkenarmes Wetter, erfreut uns also eher, als dass er uns stört", sagte Gudrun Rosenhagen, Leiterin des Seewetteramts Hamburg, einer der großen DWD-Niederlassungen.

Wer sich in der Natur bewegt, den lässt das Wetter nicht kalt. Das gilt für Profis wie für Laien. So rüstet der DWD bei der Vorhersage des Agrarwetters weiter auf, denn auch die Landwirte fordern immer kleinräumigere und präzisiere Vorhersagen ein. Und viele Urlauber schauen gespannt auf die Reisewetterberichte. Der "Beiß-Index" für Fische, erstellt von einem DWD-Kollegen, der passionierter Hobbyangler ist, wird seit einigen Jahren dagegen nicht mehr verbreitet, sehr zum Missfallen der Petri-Jünger. Sie müssen jetzt selbst auswerten, bei welchen Wetterlagen der Fang besonders üppig ist.