Umstrittenes Gesetz gilt als Niederlage gegen die mächtige Agrarlobby

Porto Alegre. Brasiliens Parlament hat ein umstrittenes Waldgesetz beschlossen, das die Richtlinien für den Urwaldschutz lockert. Mit 274 gegen 189 Stimmen billigten die Abgeordneten am Mittwoch (Ortszeit) die Novelle nach einem Jahr heftiger Debatten. Damit musste die Regierung von Präsidentin Dilma Rousseff eine herbe Niederlage gegen die mächtige Agrarlobby einstecken. Ihr bleibt noch die Möglichkeit eines Vetos. Der Senat hatte das Gesetz im Dezember gebilligt.

Die Großfarmer verteidigen die Novelle als notwendig für eine höhere Lebensmittelproduktion. Naturschützer bezeichnen sie dagegen als einen großen Rückschritt im Waldschutz. Allein im Amazonas-Bundesstaat Amapá, der an Französisch-Guayana grenzt, drohe die legale Vernichtung von 8000 Quadratkilometer Urwald. Das Gesetz sieht Straffreiheit für jene Landbesitzer vor, die bis Juli 2008 Schutzgebiete nicht beachtet haben. Immerhin: Größere Grundstücke müssen teilweise wieder aufgeforstet werden. Generell schreibt das Gesetz vor, wie viel Wald Farmer auf ihren Ländereien erhalten oder neu anpflanzen müssen.

Das Gesetz kommt nach einer Phase großer Fortschritte im Waldschutz. Obwohl der Druck auf die Wälder zunimmt, lag die Entwaldungsrate 2011 so niedrig wie lange nicht mehr. Doch die Aussicht auf das neue Gesetz hat die Zerstörung bereits wieder beschleunigt: Von Januar bis März 2012 wurde nach Angaben des brasilianischen Instituts für Raumforschung (Inpe) dreimal so viel abgeholzt wie im ersten Quartal des Vorjahres.

Präsidentin Rousseff hat nun noch die Möglichkeit, einzelne Passagen des Gesetzes zu streichen. Der Umweltverband Greenpeace forderte sie auf, den Waldschutz zu verbessern, gerade in Hinblick auf die weltweit größte Umweltkonferenz, die 20 Jahre nach dem ersten Erdgipfel in Rio de Janeiro Anfang Juni geplant ist. Zunächst sollte die Parlamentsabstimmung erst nach dem Gipfel stattfinden, doch die Agrarindustrie drängte auf eine Entscheidung.

Wissenschaftler des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung sehen den Amazonas-Wald als ein potenzielles Kippelement unseres Klimasystems. Verliert er seine heutige Funktion, könnte das Folgen für die globale Klimaentwicklung haben.