Messungen des IceCube-Detektors am Südpol stellen bisherige Theorie zur Herkunft sehr energiereicher Teilchen infrage

ZEUTHEN. Aus dem All prasseln unablässig ultrakleine Teilchen auf die Erde, etwa Photonen (Lichtteilchen), Heliumkerne, Protonen und Neutrinos. In der Atmosphäre stoßen sie sekundäre Teilchen an, die – gewissermaßen als verlängerter Arm der Primärteilchen – in die Erde eindringen und dort absorbiert werden. Diese kosmische Strahlung hat das biologische Erbgut der Erde über Jahrmillionen beeinflusst, so nehmen es Wissenschaftler zumindest an. Doch wo kommen die Partikel her? Bisher dachten Forscher, dass die sehr energiereichen Mitglieder der Teilchenschar außerhalb unserer Galaxie entstehen, in der Umgebung von supermassereichen Schwarzen Löchern und bei Gammastrahlenexplosionen. Letztere sind aber wohl doch nicht für die Strahlung verantwortlich. Das zeigten Messungen des Detektors IceCube, berichtet ein internationales Forscherteam im Fachjournal „Nature“.

Viele der Teilchen werden bei ihrer Reise durchs All von Magnetfeldern abgelenkt, sodass ihr Ursprung nicht mehr eindeutig feststellbar ist. Deshalb suchen Forscher nach indirekten Nachweisen: Sie studieren Neutrinos, jene Teilchen, die in den vergangenen Monaten im Rahmen des Opera-Experiments erst für Euphorie und dann für Ernüchterung sorgten. Diese lassen sich künstlich erzeugen; natürlicherweise entstehen sie im Weltall wie die anderen Teilchen auch. Allerdings haben Neutrinos keine elektrische Ladung. Deshalb reagieren sie nur selten mit anderen Teilchen, durchdringen so Materie meist ungehindert und bleiben bei ihrer Reise meist unbeeinflusst.

IceCube besteht aus 5160 Sensoren, die Neutrinos registrieren sollen

IceCube am Südpol ist der weltweit größte und empfindlichste Detektor für Neutrinos. Er besteht aus 5160 Sensoren, die an Stahltrossen hängend im Eis versenkt wurden. Diese Anlage nutzten die Forscher, um 300 Gammastrahlenexplosionen zu untersuchen, die Astronomen von 2008 bis 2010 registriert hatten. Diese Blitze sind die größten bisher bekannten Energieausbrüche im Kosmos. Sie entstehen wahrscheinlich, wenn der Kern eines massereichen Sterns kollabiert. Wären sie die Quelle der höchstenergetischen kosmischen Strahlung, sollten von ihnen nicht nur Gammastrahlen ausgehen, sondern auch Neutrinos, die auf direktem Weg die Erde erreichten. „Überraschenderweise“, so das Forscherteam, habe Ice- Cube jedoch kein einziges Neutrino gefunden, das zu einem der 300 Ausbrüche passte. „Entweder ist unsere Vorstellung, dass Gammastrahlenexplosionen eine Hauptquelle der höchstenergetischen kosmischen Strahlung sind, falsch. Oder unsere Rechenmodelle von den Vorgängen in Gammastrahlenexplosionen beruhen auf falschen oder zu stark vereinfachten Annahmen“, sagt der an dem Projekt beteiligte Physiker Prof. Alexander Kappes vom Standort Zeuthen des Desy. In jedem Fall müssten die Modelle zur Produktion von kosmischer Strahlung und Neutrinos überarbeitet werden.

Mehr über den IceCube-Detektor: www.abendblatt.de/icecube