Schneeweiß oder rußschwarz: Debatte um Umweltverträglichkeit der großen Ozeanriesen ist entbrannt. Umweltschützer kritisieren.

Berlin. In Werbebroschüren schaukeln schneeweiße Kreuzfahrtschiffe auf azurblauen Wellen. Beim Fotowettbewerb des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) sieht die Sache anders aus: Da gibt es Bilder von rußschwarzen Rauchschwaden, die aus den Schornsteinen der Luxusliner quellen. Welche Perspektive stimmt? Für den NABU liegt die Wahrheit in der Tiefe der Maschinenräume: Viele Traumschiffe führen außerhalb von Verbotszonen mit billigem Schweröl statt saubererem Schiffsdiesel. An Bord fehlten Filteranlagen. Die NABU-Rechnung lautet: Ein Kreuzfahrtschiff stößt so viele Schadstoffe aus wie fünf Millionen Autos.

Die Kritik trifft eine boomende Branche, die vor Superlativen strotzt. Neben Luxuslinern wie der „Oasis of the Seas“, die durch die Karibik schippert, erscheinen Kreuzfahrtschiffe aus dem Titanic-Zeitalter wie Nussschalen. Die Giganten von heute sind 360 Meter lang, haben 16 Decks und Platz für 6300 Passagiere und 2165 Besatzungsmitglieder. An Bord gibt es Seilbahnen, Whirlpools, Dampfsaunen und indische Yogameister.

Machten 1990 noch 3,7 Millionen Menschen weltweit eine Kreuzfahrt, sind es nach Angaben des Marktbeobachters Cruise Market Watch heute 19 Millionen auf 256 Traumschiffen. Rund 20 weitere sind bis 2016 bei Werften bestellt.

Was ist der Preis fürs gute Geschäft und das Vergnügen an Bord? Die Havarie der „Costa Concordia“ Mitte Januar vor Italiens Küste brachte diese Frage wieder auf – auch für die Umwelt. Aus dem Wrack wurden mehr als 2000 Kubikmeter Treibstoff abgepumpt. Es war Schweröl, das beim Auslaufen ins Meer eine Umweltkatastrophe für die gesamte Region bedeutet hätte.

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Die deutschen Naturschützer interessiert die Umwelttauglichkeit der Kreuzfahrtriesen schon länger. Ein luxuriöses Traumschiff verbraucht nach ihrer Einschätzung so viel Strom wie eine Kleinstadt. Auf dem Meer und in Häfen ohne Landstrom wird er von den eigenen Maschinen erzeugt. Ohne Schadstofffilter blieben hohe Emissionen, sagt NABU-Berater Axel Friedrich.

Die Abgase verdreckten Küstenbewohnern nicht nur Fenster und Wäsche, sondern könnten auch die Gesundheit schädigen. 50 000 Menschen sterben nach NABU-Angaben in Europa jedes Jahr durch winzig kleine Partikel aus Schiffsabgasen, die durch die Lungen in den Körper gelangen. Sie machten vielleicht sogar die positive Bilanz wieder zunichte, die bisher durch strikte und teure Umweltauflagen bei Autos oder Lkw erreicht wurde. Die Belastung liegt aber nicht nur an den Traumschiffen, sondern an allen Schiffen auf dem Meer. Die luxuriösen Vergnügungsfahrten sind nur der Hebel, mit dessen Hilfe Umweltschützer den Blick auf das Problem lenken wollen.

Ihre Kritik verhallt nicht ungehört. Nach Friedrichs Einschätzung trennt sich bei den Reedereien gerade die Spreu vom Weizen. Hapag Lloyd werde 2013 mit der „MS Europa 2“ als weltweit erstem Kreuzfahrtschiff mit Stickoxid-Katalysator auf die Reise gehen. Das Rostocker Unternehmen AIDA taufe dagegen im Mai in Hamburg mit ihrem Schiff „AIDAmar“ einen Umwelt-Dinosaurier ohne Rußfilter. „Der Einbau hätte 500 000 Euro gekostet“, sagt Friedrich. „Die AIDAmar kostete 375 Millionen.“ Für ihn sei es ein Skandal, dass ein nagelneues Schiff Häfen und Küstenbewohner unter seinen Abgasen leiden lasse - aber Geld genug für eine eigene Brauerei an Bord da sei.

Aus Rostock schießt AIDA-Sprecher Hansjörg Kunze zurück. Alles Polemik, sagt er. Aida weise alle Vorwürfe mit Nachdruck zurück. Für Rußpartikelfilter gebe es bisher keine praktikablen Lösungen. In allen europäischen Häfen verarbeiteten die Motoren der AIDA-Schiffe seit 2010 ausschließlich Diesel mit einem Anteil von maximal 0,1 Prozent Schwefel. Die Schwefelemissionen seien um rund 90 Prozent gesunken.

Bleiben noch die Bilder von sauberen Traumschiffen in den Kreuzfahrtkatalogen. Kunze weist eine Täuschung durch Wegretouchieren dunklen Rauchs zurück. Diese Vorwürfe seien Teil der NABU- Marketingkampagne. „Wer kann garantieren, dass die vom NABU gezeigten Fotos nicht bearbeitet wurden?“, fragt der Sprecher. (dpa)