Mit ultrakleinen Partikeln wollen Hamburger Chemiker die Leistung von Solarzellen und Brennstoffzellen erhöhen. Prototypen existieren bereits.

Hamburg. Die Technik, von der Fabian Werner glaubt, dass sie die Fotovoltaik revolutionieren könnte, kommt unscheinbar daher: ein quadratisches Glasplättchen, kaum größer als ein Daumennagel und durchsichtig - mit bloßem Auge betrachtet. Der eigentliche Clou ist nur unter einem Elektronenmikroskop zu erkennen: Auf dem Glas haftet eine hauchdünne Schicht aus Milliarden von Kristallen. Jeder von ihnen misst nur drei bis sieben Nanometer - millionstel Millimeter. Angeregt durch Sonnenstrahlen, produzieren die Partikel elektrischen Strom. Das Plättchen ist der Prototyp einer nanokristallinen Solarzelle.

Fabian Werner, 30, arbeitet am Centrum für Angewandte Nanotechnologie (CAN), einer GmbH, die getragen wird von der Universität Hamburg, der Stadt und einem Trägerverein, in dem sich unter anderem die Firmen Beiersdorf, Bosch und Eppendorf engagieren. Die Studien des promovierten Chemikers sind Teil eines Forschungsprojekts, das von der EU und der Stadt Hamburg bis 2015 mit rund einer Million Euro gefördert wird. Das Ziel ist, Solarzellen und Brennstoffstellen günstiger und zugleich leistungsfähiger zu machen.

Warum in der Fotovoltaik verstärkt Forschungsbedarf besteht, ist spätestens klar, seit Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) vor zwei Wochen bekannt gaben, dass die staatlichen Zuschüsse für Solarstrom ab April um fast ein Drittel sinken. Schlechte Nachrichten für die boomende Solarbranche, die vor allem deshalb so gut verkauft, weil es das Erneuerbare-Energien-Gesetz gibt: Es garantiert allen, die Strom aus erneuerbarer Energie produzieren, etwa durch Solarzellen auf dem Dach, diesen Strom zu einem festen Preis ins öffentliche Netz einspeisen zu dürfen. Weniger stark subventioniert, sind Solarzellen erst recht noch zu teuer, um massentauglich zu sein; hierzulande steuern sie erst drei Prozent zur Energieerzeugung bei.

Das Problem: Herkömmliche Fotovoltaikmodule basieren auf Silizium. Dessen Herstellung kostet viel Energie: Bei über 1000 Grad wird in Hochöfen zunächst aus Quarzsand Rohsilizium gewonnen; daraus wird in einem mehrstufigen Prozess hochreines Silizium hergestellt. Die Partikel sogenannter multikristalliner Solarzellen, die jeweils etwa ein hundertstel Millimeter groß sind, fungieren als Halbleiter: Ihre Elektronen lassen sich durch Licht anregen und als elektrischer Strom nutzen. Allerdings absorbieren die Siliziumkristalle nur das sichtbare Licht; die Energie anderer Wellenlängen nutzen sie nicht.

Fabian Werner kommt ohne Silizium aus. Er experimentiert stattdessen mit Bleisulfid, einem anderen Halbleiter, der die Energie der Sonne genauso umwandelt - mit zwei Unterschieden: Erstens ließen sich Kristalle aus diesem Stoff bei nur 70 bis 90 Grad herstellen, sagt Werner. Das spare Energie ebenso wie das Aufbringen der Partikel: "Prinzipiell ist es möglich, den Halbleiter wie Tinte auf eine Oberfläche zu drucken." Der zweite Vorteil der Nanopartikel bestehe darin, dass sie das Sonnenlicht besser ausschöpften: "Durch ihre besondere elektronische Struktur können sie auch Energie des infraroten Lichts absorbieren", erläutert Werner.

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Die Leistung von Solarzellen ergibt sich aus ihrem Wirkungsgrad. Dieser Wert zeigt an, wie viel Lichtenergie in elektrischen Strom umgewandelt wird. Die besten Siliziumsolarzellen auf dem Markt erreichen Wirkungsgrade von etwa 15 Prozent; im Labor haben Forscher eine Ausbeute von fast 25 Prozent erreicht. Das geschätzte Limit der herkömmlichen Module liegt bei 31 Prozent. Mit nanokristallinen Solarzellen, sagt Werner, seien Wirkungsgrade bis zu 44 Prozent möglich.

Theoretisch, wohlgemerkt. Bisher erreichen seine Prototypen erst drei Prozent. Rückendeckung erhält der junge Forscher von CAN-Geschäftsführer Frank Schröder-Oeynhausen: "Der Forschungsaufwand lohnt sich, weil ein höherer Wirkungsgrad möglich ist und die Produktionskosten vergleichsweise niedrig sind."

Günstig in der Herstellung, aber dennoch leistungsfähiger sollen auch die Brennstoffzellen werden, an denen die Chemikerin Beate Ritz arbeitet. Dabei konzentriert sich die 30-Jährige auf das Herz der Brennstoffzelle, den Katalysator. Hierbei handelt es sich um die Beschichtung der beiden Elektroden einer Brennstoffzelle. Erst diese Beschichtung, die meist aus Platin besteht, sorgt dafür, dass der Brennstoff, der auf der einen Seite der Zelle zugeführt wird, kontrolliert mit dem Sauerstoff reagieren kann, der auf der anderen Seite zugeführt wird. Dabei wird die chemische Energie des Brennstoffs in elektrische Energie umgewandelt.

Das Edelmetall Platin ist allerdings sehr teuer - weniger davon einzusetzen würde Kosten sparen. Herkömmliche Katalysatoren, erläutert Beate Ritz, bestünden aus Nanopartikeln, die sich ungünstig zu Häufchen zusammenlagern könnten. Bildlich gesprochen wirft der Teppich Falten. Dadurch verringere sich die Fläche, auf der Reaktionen stattfinden. Und noch ein Problem gebe es: "Die Beschichtung löst sich bei längerer Belastung teilweise ab." Ritz experimentiert mit Platinpartikeln, die durchweg zwei Nanometer (zwei millionstel Millimeter) klein sind - herkömmliche Katalysatorpartikel messen bis zu 15 Nanometer. Der Unterschied erscheint minimal, doch er habe Auswirkungen auf die Energieausbeute: "Wenn man die Partikel durchweg verkleinert, vergrößert sich dadurch die Fläche des Katalysators, auf der Reaktionen stattfinden - es wird mehr Strom erzeugt." Vorausgesetzt, die Partikel bleiben an Ort und Stelle.

Um das zu gewährleisten, nutzt die Chemikerin ein Trägermaterial mit außergewöhnlichen Eigenschaften: Kohlenstoffnanoröhren. Diese Gebilde sind zugfester als Stahl, sie leiten Wärme besser als Diamant und elektrischen Strom besser als Kupfer. Ritz züchtet die Röhren in einer selbst gebauten Vakuumkammer bei Temperaturen über 800 Grad. Mit bloßem Auge sieht man schwarze Blöcke, die Kohle ähneln. Erst unter dem Elektronenmikroskop offenbart sich die Struktur. Auf ihr hafteten die Platinpartikel stabil, zugleich leiteten die Kohlenstoffnanoröhren den Strom der Elektronen besser, sagt Beate Ritz. Der Ansatz sei vielversprechend: "In meinen Tests habe ich bereits einen Stromfluss gemessen, der zehnmal höher ist als bei Katalysatoren in herkömmlichen Brennstoffzellen."