Papagei versus Specht, Dohlen und Spatz Co.: Können die freilebenden Halsbandsittiche den Bestand einheimischer Tierarten gefährden?

Heidelberg/Wiesbaden. Sie erfreuen Vogelfreunde und Spaziergänger: die Halsbandsittiche, die in Wiesbaden und rund um Heidelberg und Köln seit Jahrzehnten freilebend durch die Parks flattern. Nun breiten sich die Papageien vor allem entlang des Rheins weiter aus. Kritiker warnen, dass die Sittiche womöglich natürlich vorkommenden Vögeln wie Spechten und Kleibern die Bruthöhlen streitig machen und Fledermäuse vertreiben.

Sind die freigesetzten Papageien eine Bedrohung für natürlich vorkommende Tiere? Das Bundesamt für Naturschutz in Bonn will darauf nun gezielt eine Antwort finden. Unter Fachleuten gehen die Meinungen auseinander: Manche begrüßen neue Arten als Zugewinn an biologischer Vielfalt, andere plädieren für eine konsequente Beseitigung.

Die ersten wildlebenden Halsbandsittiche in Deutschland wurden Mitte der 1960er Jahre in Köln beobachtet – vermutlich waren sie entflogen oder ausgesetzt worden. Nach aktuellen Schätzungen leben inzwischen 8500 Halsbandsittiche hierzulande wild, meist in Parks mit vielen alten Bäumen. Ob sie dort andere Tiere vertreiben, lasse sich anhand der bekannten wissenschaftlichen Daten nicht sicher beurteilen, heißt es vom Bundesamt. Daher gelte der Halsbandsittich als potenziell invasiv und sollte weiter beobachtet werden. Das bedeutet, er kommt voraussichtlich auf die „graue Liste“.

+++Halsbandsittiche breiten sich im Rheinland aus+++

+++Papageiern.Invasion an Rhein und Neckar+++

Mit dem Bewertungssystem der weißen, grauen und schwarzen Listen teilt das Bundesamt freigesetzte oder eingeschleppte Tiere und Pflanzen danach ein, ob sie einheimische Arten möglicherweise gefährden. Bislang ist nur die Zuordnung für Fische fertig: Von 25 beurteilten Arten kamen 6 auf die „schwarze Liste“. Sie gelten als invasiv, eine Gefährdung einheimischer Arten gilt als belegt. Ob und mit welchen Mitteln solche Populationen kontrolliert werden, soll im Einzelfall entschieden werden.

Für Kandidaten auf der „grauen Liste“ gilt: Eine Gefährdung ist wahrscheinlich, die Art muss weiter genauer beobachtet werden. Auf der weißen Liste landen alle Arten, von denen bislang keine Gefahr ausgeht. Die Einordnung für landlebende Wirbeltiere und einen großen Teil der Pflanzen soll bis Herbst fertig sein.

Beim Halsbandsittich sei es etwa denkbar, dass er sich in Auenwäldern ausbreitet und dort Höhlenbrüter bedroht, schreiben die Experten des Bundesamtes in einer Mitteilung. „Als mögliche Maßnahmen käme hier vor allem Vergrämen in Betracht. Ei-Entnahme, Vergiftung oder Abschuss wären wahrscheinlich nicht praktikabel.“

Allein im Rhein-Neckar-Raum leben nach Zählungen des Biologen Michael Braun rund 3000 Halsbandsittiche. „Diese Zahlen sind seit Jahren stabil.“ Erst in jüngerer Zeit seien einzelne Papageien etwa in Frankfurt beobachtet worden. Braun ist zwar grundsätzlich damit einverstanden, bei zugewanderten Arten zu prüfen, ob sie der heimische Fauna schaden. Aber: „Wie man den Halsbandsittich auf die „graue Liste“ setzen kann, das ist mir ein Rätsel.“

Auch der Wiesbadener Papageien-Experte Detlev Franz ist sich sicher: „Ich denke, beim Halsbandsittich wird keine Gefährdung rauskommen.“ Parkanlagen seien ohnehin kein natürlicher Lebensraum. Eine Konkurrenz um Höhlen etwa mit Hohltauben, Dohlen und Fledermäusen kann Franz nicht erkennen. Die Ansprüche seien viel zu unterschiedlich.

Franz hat unter anderem untersucht, in wieweit Halsbandsittiche und Buntspechte in Konkurrenz stehen. Für den Experten ist es wegen mangelnder Daten noch völlig offen, ob die Papageien den Spechten die Höhlen streitig machen und deren Population schädigen. Gegen eine Konkurrenz spreche jedoch, dass beide Arten zeitversetzt brüten.