Warum ist bei Schnupfen die moderne Medizin machtlos? Weil es über 300 verschiedene Erkältungsviren gibt. Erreger lauern auch auf Türklinken.

Hamburg. Die moderne Medizin hat heute immer ausgeklügeltere Methoden, um schwere Krankheiten zu bekämpfen. Aber gegen kleine Infekte mit Husten und Schnupfen, die uns oft gleich mehrmals im Jahr für einige Zeit das Leben schwer machen, ist sie weitgehend machtlos. Ein alter Medizinerspruch lautet: Eine Erkältung dauert mit Behandlung sieben Tage und ohne eine Woche. Aber warum ist es so schwierig, diese lästigen Infektionen bereits im Keim zu ersticken oder dafür zu sorgen, dass es erst gar nicht dazu kommt? "Die Erreger von Schnupfen und anderen Erkältungskrankheiten sind in der Regel Viren. Wir haben es hier mit einer großen Vielfalt von Erregern zu tun. Hauptsächlich sind Rhino- oder Adenoviren für die Erkältung verantwortlich. Bei den Rhinoviren gibt es über 100 Unterarten, bei Adenoviren mehr als 50. Insgesamt kennen wir mehr als 300 Erkältungsviren", sagt Dr. Jonas Schmidt-Chanasit, Virologe am Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin.

Da diese Viren sehr unterschiedlich aufgebaut sind, ist es unmöglich, einen Impfstoff zu finden, der gegen alle Erreger schützt. Erschwerend kommt hinzu, dass viele, besonders die Rhinoviren, sehr variabel sind und sich durch Mutationen und Austausch von Erbinformationen relativ schnell in kurzer Zeit verändern können. "Selbst wenn man einen Impfstoff hätte, dann gibt es immer ganz bestimmt ein Virus, gegen das die Impfung nicht schützt. Und dann bekommen die Menschen genauso leicht einen Schnupfen wie vorher", erklärt der Virologe.

Auch Medikamente gegen Erreger von Erkältungen gibt es nicht - anders als zum Beispiel bei Hepatitis und HIV, bei denen es bereits Arzneimittel gibt, die die Virusvermehrung stoppen. Das Problem ist, dass die Mittel speziell auf die Viren zugeschnitten sein müssen. "Es würde auch Wege geben, gegen einzelne Erkältungsviren Medikamente zu entwickeln. Aber es bringt einfach nichts, weil die Vielfalt so groß ist, dass man von den zehn Medikamenten, die man dann vielleicht zur Verfügung hätte, genau das richtige auswählen müsste. Dafür wäre eine aufwendige Diagnostik nötig. Und das hieße, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen", betont Schmidt-Chanasit. Denn selbst wenn es ein Medikament gäbe, würde es den Krankheitsverlauf nur um ein bis zwei Tage abkürzen. In der Regel schafft der Körper es auch selbst, innerhalb einer Woche die Viren zu besiegen.

Anders sieht es aus, wenn sich Menschen erkälten, die unter einer chronischen Krankheit leiden. "Bei ihnen kann sich aus solch einem banalen Infekt eine schwerwiegende Erkrankung entwickeln, zum Beispiel, wenn sich auf die Virusinfektion eine bakterielle Infektion setzt und dann eine Lungenentzündung hervorruft", sagt Schmidt-Chanasit. Da sei es schon ein Problem, dass es gegen die Viren keine Mittel gebe. Gegen die bakterielle Infektion könnten jedoch Antibiotika eingesetzt werden. "Aber Antibiotika sollten wirklich nur bei bakteriellen Infektionen verschrieben werden. Gegen Viren helfen sie nicht. Unnötige Verschreibungen tragen dazu bei, dass immer mehr Bakterien resistent gegen Antibiotika werden", betont der Virologe.

Ein Sonderfall ist auch die Influenza. Die "echte" Grippe wird - im Gegensatz zu grippalen Infekten - nur durch Influenzaviren ausgelöst. Das ist eine schwere Erkrankung, die mit Husten, Schnupfen, hohem Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen einhergeht. "Gegen diese Infektion gibt es Medikamente, sogenannte Neuraminidasehemmer. Sie wirken aber nur, wenn sie gleich zu Beginn der Erkrankung eingenommen werden. Sie sollten nur Patienten verordnet werden, bei denen mit schweren Verläufen zu rechnen ist. Auch bei diesen Mitteln können Resistenzen entstehen. Deswegen muss man sorgsam damit umgehen, sonst wirken sie irgendwann nicht mehr. Diese Präparate haben keine Wirkung bei grippalen Infekten", betont Schmidt-Chanasit.

Hochsaison für Erkältungskrankheiten ist die Zeit vom Spätherbst bis zum Frühlingsbeginn. Bei dem kalten ungemütlichen Wetter verbraucht unser Körper mehr Energie. "Und es kommt zu einer örtlich begrenzten Abwehrschwäche, zum Beispiel in der Nase, sodass die Viren leichter eindringen können", sagt der Virologe. Anstecken kann man sich leicht bei anderen Menschen, die die Viren über die Atemwege durch Husten und Niesen weiterverbreiten, aber auch auf Türklinken und anderen Flächen können Erkältungsviren lauern. Schmidt-Chanasit: "Adeno- und Rhinoviren können über Stunden an Türklinken überleben und so auch übertragen werden."

Wenn sie in den Körper eindringen, treffen sie in den Schleimhäuten bereits auf Abwehrzellen. Diese alarmieren das Immunsystem, das Antikörper gegen die Eindringlinge bildet und Fresszellen in Marsch setzt, die die infizierten Zellen vernichten und so die Viren aus dem Körper entfernen. Auch die Symptome, die wir spüren, sind eigentlich Abwehrreaktionen unseres Körpers: Die Schleimhäute in der Nase werden stärker durchblutet, schwellen an und bilden ein Sekret, um die Viren wieder loszuwerden. Die Körpertemperatur steigt bis zum Fieber, um die Keime dadurch abzutöten. Die Abgeschlagenheit, die wir empfinden, ist ein Zeichen dafür, dass der Körper seine Kräfte darauf konzentriert, die Infektion zu bekämpfen. Wenn ihm das gelungen ist, behält das Immunsystem diesen Keim trotzdem im Gedächtnis. "Dagegen ist man dann immun, aber der Schutz reicht nicht aus, um andere Erreger abzuwehren und deshalb kann es dann auch wieder zu weiteren Erkältungen kommen", erklärt der Virologe.

Ob es bei einem leichten Schnupfen bleibt oder die Erkältung sich auf die Nasennebenhöhlen oder die Lunge ausweitet, hängt unter anderem davon ab, wie viel Zeit man dem Körper gibt und wie viel Energie man ihm lässt, um gegen diese Infektion zu kämpfen. "Wenn ich Leistungssport treibe, verbraucht der Körper Energie und hat weniger Ressourcen, um sich gegen das Virus zu wehren. Und dann hat es die Chance, sich leichter auszubreiten. Man sollte den Körper nicht zusätzlich belasten", betont Schmidt-Chanasit. Hilfreich sei es, gleich zu Beginn der Erkältung zu inhalieren, dem Körper Ruhe zu gönnen und ihn durch gesunde Kost zu unterstützen. Bei Fieber zwischen 38 und 39 Grad ist es nicht unbedingt sinnvoll, die Temperatur zu senken. "Das kann auch dazu führen, dass der Körper nicht so effektiv gegen die Infektion vorgeht."

Ansonsten gesunde Menschen können also durch Ruhe und Schonung schnell mit den lästigen Viren fertig werden. Und manche schwören dabei auch auf die Unterstützung durch alte Hausmittel, wie heißer Tee mit Zitrone, warme Milch mit Honig oder eine Knoblauchsuppe.