Murmeln, Kreisel, Trillervögel - in Stralsund haben Forscher viele Spielzeuge geborgen

Stralsund. Sie spielten in Hinterhöfen, auf klösterlichen Ballplätzen, in elterlichen Werkstätten und engen Kinderstuben. Das Spielzeug des Mittelalters fiel einfach aus und war oft aus Abfällen und Knochenresten gefertigt. Wie jetzt Ausgrabungen in der Stralsunder Altstadt zeigen, waren die Jüngsten damals genauso erfinderisch wie die Kids von heute. Seit der Anerkennung als Unesco-Weltkulturerbe vor fast zehn Jahren haben Forscher aus Baugruben, Kellern und aufgefüllten mittelalterlichen Latrinen der Hansestadt viele Spielzeuge geborgen, die vor Jahrhunderten Kinderaugen zum Leuchten brachten.

Für die Forschung seien die Funde beachtlich, schwärmt Gunnar Möller, Historiker und Archäologe. "Stralsund ist inzwischen neben Lübeck die norddeutsche Stadt mit den meisten historischen Spielzeugfunden." Zudem verfüge man mit Tagebüchern und Autobiografien von Vertretern wie Nikolaus Gentzkow (1502-1567) über einzigartige Quellen über Kindheit, Jugend, Ausbildung und Freizeit im spätmittelalterlichen Stralsund.

Zu den Raritäten zählt ein aus einem Wolfszahn hergestellter Kindernuckel

Zum archäologischen Fundgut gehörten hölzerne Kugeln, Murmeln, Kreisel und Spielsteine, tönerne Spielzeugpferdchen, Pfeif- und Trillervögel sowie Brettspiele wie ein Fuchs- und Gänsespiel, das auf Ziegelsteine eingraviert wurde. Auch Schachfiguren, hölzerne Kinderschwerter, eine Spielzeugarmbrust und Miniaturschiffchen waren die Renner auf mittelalterlichen Spielplätzen. Zu den Raritäten unter den Fundstücken zählen ein aus einem Wolfszahn gefertigter Kindernuckel, ein Puppenkopf, eine Spielzeugflöte und hölzerne Knallröhrchen.

Nicht immer könne genau unterschieden werden zwischen Kinderspielen und dem Freizeitvergnügen der Erwachsenen, betont Möller. So habe Gentzkow in seinem Tagebuch erwähnt, dass er 1558 eine neue Pylekentafel in seinem Garten gesetzt habe, vermutlich eine Art Dartspiel. Zwei Jahre später ließ er eine Botzelbane, eine Kegelbahn, wiederherstellen.

Einige Fundstücke geben den Forschern Rätsel auf. Dazu gehören kleine Lederpantöffelchen eines sechs- bis siebenjährigen Mädchens. Möller: "Wir können nicht mit Sicherheit sagen, ob das Kind die Schuhe beim Spielen oder Essenbringen für den Vater getragen hat oder ob die Schuhe als Hinweis auf Kinderarbeit zu werten sind."