Automatisches Prognoseverfahren liefert realitätsnähere Angaben zum Verlauf der Gezeitenkurven, die im Internet einsehbar sind

Hamburg. Passend zur Sturmflutsaison startete das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie (BSH) gestern ein neues Verfahren zur Vorhersage der Wasserstände an der deutschen Nordseeküste, der Elbe, Weser, Jade und Ems. Es kombiniert erstmals automatisch den Gezeitenlauf mit zwei Wettervorhersagemodellen (eines vom Deutschen Wetterdienst und eines aus den USA) sowie den im Minutentakt aktualisierten Pegelständen an derzeit 16 Standorten.

Die Gezeitenkurve ist als astronomische Größe leicht vorauszuberechnen und seit Längerem beim BSH unter www.bsh.de (Stichworte: Meeresdaten/Vorhersagen/Wasserstand) abrufbar. Doch klafften manchmal die dort präsentierten Ausschläge zwischen Hoch- und Niedrigwasser und die ebenfalls dargestellten gemessenen Pegelstände deutlich auseinander. Das geschieht vor allem, wenn in der Deutschen Bucht nordwestlicher Wind in den Elbtrichter drückt. Dann kann bei Ebbe das Wasser nicht gut ablaufen - Folge: Das Niedrigwasser liegt auf einem Niveau, das manchmal einem durchschnittlichen Hochwasser entspricht.

"Der Windstau kann am Pegel St. Pauli eine Abweichung von drei bis vier Meter zum astronomischen Gezeitenverlauf ausmachen", sagt Dr. Sylvin Müller-Navarra, beim BSH für die Wasserstandsvorhersage verantwortlich. Weitere witterungsbedingte Einflüsse seien sogenannte Fernwellen (Störungen aus dem Nordostatlantik) sowie Effekte, die sich aus sehr tiefem Luftdruck oder großen Temperaturunterschieden zwischen Luft und Wasser ergeben.

Das alte Vorhersageverfahren habe generell "ohne besondere meteorologische Einflüsse" gerechnet, so Müller-Navarra. Die Integration der Wetterdaten macht nun die Wasserstandsprognosen realitätsnäher. Jedoch fließen durch sie die allgemeinen Unsicherheiten der Wettervorhersagen mit ein. Das gilt vor allem für Wasserstandsberechnungen, die drei bis sechs Tage vorausschauen. Hier zeigen sich rund um die (blaue) Prognosekurve graue Bereiche, die die Unsicherheit der Vorhersagen widerspiegeln. Bei den Pegelständen kann der graue Bereich - je nach Wettersituation - locker einen halben Meter und mehr einnehmen.

Für den Sturmflutwarndienst reiche die Drei- bis Sechs-Tage-Vorausschau nicht aus, betont Müller-Navarra. Zum Beispiel könne eine Sturmflut nur das Niedrigwasser erhöhen, ohne das Hochwasser nennenswert zu beeinflussen. "Aber für Veranstaltungen auf den Flüssen oder an der Küste, für die Schifffahrt und für Wasserbaumaßnahmen ist der neue Vorhersagedienst sehr hilfreich."