Über Alternativen zur Suchmaschine des US-Konzerns diskutieren Forscher am Montag in Hamburg auf dem Kongress Domaine pulse.

Hamburg. Wer sucht, der findet - im Internet meistens das, was Google anbietet. Mehr als 90 Prozent aller Suchanfragen in Deutschland laufen nach Schätzungen über die Rechenzentren des US-Konzerns. Ernsthafte Konkurrenten? Gibt es nicht mehr. Einst erfolgreiche Dienste wie AltaVista, Excite, Infoseek und Lycos sind längst von der Bildfläche verschwunden.

Na und, könnten Nutzer einwenden, Google liefert zu allen erdenklichen Suchbegriffen Zigtausend Ergebnisse - das ist doch ein Segen. Tatsächlich bestreitet kaum jemand, dass die meistgenutzte Suchmaschine eine große Hilfe sein kann. Sorge bereitet einigen Experten allerdings, dass die meisten Nutzer womöglich glauben, dass Google die digitale oder gar die reale Welt in ihrer Gesamtheit abbildet - und dass deshalb keine anderen Suchmaschinen nötig sind.

Das zu denken wäre naiv, sagt Dr. Wolfgang Sander-Beuermann, Leiter des Suchmaschinenlabors der Leibniz Universität Hannover. Der Internetfachmann will heute und morgen in Hamburg zusammen mit anderen Forschern auf der Konferenz Domain pulse über alternative Zugänge zum Wissen im Web diskutieren. Aus seiner Sicht besteht dringend Handlungsbedarf: "Derzeit entscheidet hauptsächlich Google, welches Wissen wahrgenommen wird und welches nicht, was im Internet existiert und was nicht." Die Macht, die dem Konzern damit zukomme, reiche weit über die Kontrolle des Wissenszugangs durch Suchmaschinen hinaus, sagt Sander-Beuermann. "Hier entsteht eine Konzentration mit gravierenden Folgen für die Informations- und Wissenskultur."

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+++Auch Google steigt auf in die Wolke+++

Der Forscher hat SuMa e.V. gegründet, einen Verein für freien Wissenszugang. Dieser setzt sich dafür ein, die wenigen alternativen Suchmaschinen zu unterstützen. Da dies nicht allein durch ein verändertes Nutzerverhalten zu erreichen sei, spreche sich der Verein dafür aus, "globale Online-Oligopole besser zu kontrollieren", sagt Sander-Beuermann. "Man kann von einem Betreiber zwar nicht verlangen, seine Suchalgorithmen offenzulegen, weil man damit seine Geschäftsgrundlage angreifen würde." Dennoch, fordert der Forscher, müsse der Staat regulierend eingreifen. Um den freien Zugang zu dem im Internet gespeicherten Wissen für möglichst viele Menschen zu ermöglichen, sei es "von entscheidender Bedeutung, die dahinterstehende Technologie zu fördern - auch in Deutschland". Bisher sei dies versäumt worden.

Die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin hatten Ende der 90er-Jahre das Glück, zum richtigen Zeitpunkt mit der besten Technologie aufzuwarten. Kurz darauf führte die Dotcom-Krise zum Versiegen der Geldquellen; viele Mitbewerber mussten aufgeben. Google wuchs zu einem Großunternehmen heran. Seitdem hat Google die Technologie seiner Suche weiterentwickelt. So werden dem Nutzer heute unter bestimmten Umständen (Cookies eingeschaltet, Surfen immer mit demselben Computer) personalisierte Ergebnisse angezeigt, die auf vorherigen Suchanfragen beruhen. "Sie freuen sich vielleicht, dass bei dem für Sie wichtigen Suchwort ihre Homepage ganz vorn bei Google erscheint", sagt SuMa-Gründer Sander-Beuermann. "Tatsächlich liegt das daran, dass Sie Ihre Homepage selber angeklickt haben. Ihr Nachbar kann völlig andere Ergebnisse erhalten." Wie genau diese Informationsbewertung funktioniert, gehöre zum Betriebsgeheimnis, ebenso wie die genaue Funktion weiterer Faktoren, welche die Auswahl der Treffer steuern. So fließt etwa die geografische Position in die Zusammenstellung und Reihenfolge der angezeigten Links ein.

Doch es gibt es durchaus Ansätze, dem Goliath Google die Stirn zu bieten. Zu den Davids, die das versuchen, gehört Michael Schöbel. Seit 1999 betreibt er die deutsche Suchmaschine Acoon - als Gründer, Geschäftsführer und einziger Angestellter. Schöbel macht sich keine Illusionen: "In Sachen Datenumfang kann ich natürlich nicht mit Googles Suchmaschine konkurrieren, die 50 Milliarden Webseiten erfasst." Die Erfassung sei sehr teuer, ebenso wie die Server, die man zum Speichern solcher Daten benötige. Aber er finde es wichtig, "dem rein amerikanischen Blick auf die Welt eine eigene Sicht entgegenzusetzen", sagt Schöbel. Weil Acoon auf einen eigenen Suchindex setze, erhielten die Nutzer Treffer, die gut seien, "ohne dem Einheitsbrei zu entsprechen".

"Nicht eine für alle, aber alle für eine." Mit diesem Slogan werben die Metasuchmaschinen MetaGer und MetaGer2. Um zu wichtigen Treffern zu kommen, bündeln sie viele kleine Informationsquellen. Welche davon in die Ergebnisse einfließen sollen, können die Nutzer per Voreinstellung entscheiden. Mit einem eigenen Rankingverfahren und einer Unterteilung der Treffer in verschiedene Kategorien wird den Nutzern eine echte Alternative zu Google geboten. Doch nur die wenigsten Surfer nehmen von solchen Angeboten überhaupt Notiz.

Hoffnung macht Google-Kritikern derzeit vor allem ein Konzern, der bislang nicht unbedingt im Verdacht konterrevolutionärer Aktivitäten stand: Microsoft. Dessen Suchmaschine Bing konnte Google bereits einige Marktanteile abluchsen - freilich nicht, ohne zuvor eine Reihe kleinerer Anbieter geschluckt zu haben. Auch das einst so einflussreiche Webverzeichnis Yahoo! bezieht seine Ergebnisse mittlerweile aus dem Bing-Index. Und prinzipiell schlägt Microsoft in die gleiche Kerbe wie Google: Auch die Bing-Suche steht ganz im Zeichen der "Individualisierung" der Ergebnisse. "Social Search" nennt sich die (noch) optionale Möglichkeit, Facebook-Einträge von Freunden als Suchkriterien zu verwenden.