Der Typ 2 trifft auch Kinder und Jugendliche. Dr. Rudolf Lepler erklärt die Ursachen und wie Patienten geholfen werden kann

Dr. Rudolf Lepler, 64, behandelt im Katholischen Kinderkrankenhaus Wilhelmstift auch Pubertierende mit "Altersdiabetes". Beim Typ-2-Diabetes schafft der Körper es nicht mehr, den Blutzucker in Zaum zu halten. Die Patientenzahl ist gering, steigt aber an. Woran das liegt, erklärt der Leitende Arzt der Endokrinologie-Diabetologie.

Hamburger Abendblatt:

Können auch Jugendliche an Altersdiabetes erkranken?

Dr. Rudolf Lepler:

Ja. Deshalb sprechen wir auch nicht mehr vom "Altersdiabetes", sondern vom Typ-2-Diabetes. Es gibt einen Anstieg parallel zum gehäuften Vorkommen von Übergewicht und Adipositas bei Jugendlichen, denn das ist ein Risikofaktor für Typ-2-Diabetes. In Deutschland geht man davon aus, dass es 5000 Kinder und Jugendliche sein könnten, es gibt eine hohe Dunkelziffer, weil die Jugendlichen häufig keine typischen Symptome zeigen.

Was sind typische Beschwerden?

Lepler:

Fast alle Erkrankten sind stark übergewichtig, ein Hinweis, bei dem ein Kinderarzt aufmerksam werden sollte und einen Blutzucker- oder Urintest machen kann. Meist beginnt Typ-2-Diabetes schleichend, Anzeichen wie Abgeschlagenheit, Durst und häufiges Wasserlassen können am Anfang fehlen. So geht manches Mädchen wegen Schmerzen beim Wasserlassen zum Arzt, bei der Untersuchung fällt dann Zucker im Urin auf, es ist also ein Zufallsbefund. Manche Betroffenen fallen durch Bluthochdruck oder zu hohe Blutfette auf, weil das schon Folgen eines erhöhten Blutzuckers sein können. Risikofaktoren sind auch Verwandte mit Typ-2-Diabetes, Zugehörigkeit zu Bevölkerungsgruppen wie Afroamerikanern, Hispaniern oder Ostasiaten, und Schwangerschaftsdiabetes der Mutter. Auch die Vergröberung und Dunkelfärbung der Haut an Nacken und in den Achseln kann ein Hinweis sein.

Wie hängen Fettleibigkeit und ein Typ-2-Diabetes eigentlich zusammen?

Lepler:

Insulin bringt Glukose aus dem Blut in die Zellen, wo sie gebraucht wird. Beim Typ-2-Diabetes reagieren Zellen nicht mehr so gut auf Insulin (Insulinresistenz), der Körper braucht mehr davon, um die Glukose in die Zellen einströmen zu lassen. Übergewicht, Adipositas und Bewegungsmangel sind die Ursache. Irgendwann schafft die Insulinfabrik des Körpers den Nachschub nicht mehr, der Blutzucker steigt noch stärker an. Bewegung und Gewichtsabnahme können diese Entwicklung aufhalten oder rückgängig machen.

Gibt es Kleinkinder mit Typ-2-Diabetes?

Lepler:

Nein. Dieses Problem taucht in der Regel erst ab dem 10. Lebensjahr in der Pubertät auf, weil die Körperzellen durch die hormonellen Umstellungen vorübergehend nicht so gut auf Insulin reagieren. Wenn dann Übergewicht und Bewegungsmangel dazukommen, verstärkt sich die Insulinresistenz.

Wie behandeln Sie Jugendliche mit Typ-2-Diabetes?

Lepler:

Derzeit haben wir sieben Erkrankte in Behandlung. Ausschlaggebend ist u. a., wie sich die Kinder fühlen und wie der Blutzucker-Langzeitwert (HbA1c) im Blut ist. Dieser Wert lässt Rückschlüsse zu, wie hoch der Blutzucker in den vergangenen drei Monaten war, und sollte nicht über sieben Prozent liegen. Liegt er in einem akzeptablen Bereich, so versuchen wir es mehrere Monate mit einer Änderung des Lebensstils: mehr Sport, gesunde Ernährung und Abnehmen. Sind die Blutzuckerwerte dauerhaft zu hoch, werden Tabletten eingesetzt. Erst wenn dies nicht ausreicht, müssen die Jugendlichen Insulin spritzen. Dies trifft auch dann zu, wenn der HbA1c-Wert bei der ersten Messung schon viel zu hoch ist.

Bedeutet dies dann Insulin auf Lebenszeit für die Jugendlichen?

Lepler:

Nein. Wir hatten ein Mädchen, das zum Zeitpunkt der Diagnose zwölf Jahre alt und fettleibig war. Der HbA1c-Wert lag bei zehn Prozent, wir mussten Insulin geben. Durch Sport, Ernährungsumstellung und Gewichtsabnahme konnte sie das Insulin nach dem 14. Geburtstag wieder weglassen. Sie ist dem Diabetes durch Änderung ihres Lebensstils und mehr Bewegung sprichwörtlich davongelaufen.