Die alte Kurznachricht hat ausgedient. Ab Sommer geht eine neue Messenger-Technik für Smartphones an den Start

Hamburg. Sie ist eine Erfolgsgeschichte, keine Frage. Seit 1992 ist die SMS, kurz für Short Message Service, zum Renner in Sachen zwischenmenschlicher Kommunikation geworden. Rund 1300 davon schwirren in Deutschland pro Sekunde durch die Netze. Besonders an den Weihnachtstagen und Silvester bescheren die 160-Zeichen-Mitteilungen den Mobilfunkkonzernen noch immer Traum-Margen. Trotzdem: Die besten Jahre sind vorbei. Der Umsatz mit der SMS ist seit 2006 um eine Milliarde Euro auf 2,8 Milliarden gesunken. Grund dafür sind auch die bei vielen Tarifen zubuchbaren und immer populärer werdenden Flatrate-Text-Pakete, mit denen sich für einen Pauschalbetrag theoretisch unendliche viele Kurzmitteilungen pro Monat verschicken lassen.

SMS - das bedeutet seit Langem vor allem eines: wenig Text für viel Geld. Der äußerst beschränkte Funktionsumfang und der zuweilen hohe Preis pro SMS lässt viele Nutzer längst Alternativen benutzen. Der boomende Smartphone-Markt hat viele Firmen dazu gebracht, ihre eigenen Programme zu entwickeln, die es den Nutzern ermöglichen, über den Internetzugang ihres Geräts multimedial zu kommunizieren.

Die Software "Whatsapp" ist eine der bekanntesten Alternativen zur traditionellen SMS. Mit ihr lassen sich auch Bilder, Videos und Audios verschicken, ebenso Gruppenchats einrichten. Die mobilen Versionen von Skype erlauben gar Videokonversationen mit mehreren Freunden. Die meisten Smartphone-Nutzer haben längst eine Datenflatrate im Tarif enthalten, so entstehen bei kleinen Nachrichten mit diesen Programmen für sie praktisch keine weiteren Kosten.

Die Mobilfunkunternehmen beäugen die immer größer werdende Konkurrenz seit Jahren kritisch, ein adäquater Gegenschlag ist allerdings bis jetzt ausgeblieben - ein schlüssiges Konzept fehlte. Lediglich die mittlerweile in die Jahre gekommene MMS, ursprünglich einmal als eine um Multimedia-Elemente erweiterte SMS gedacht, war ein Versuch - und scheiterte.

Deshalb nun also RCS-e (Rich Communication Suite). Ein gemeinsamer Kraftakt fünf führender Mobilfunkunternehmen in Europa, darunter in Deutschland Vodafone, die Telekom und Telefónica Germany (O2), soll der neuen Technologie auf die Sprünge helfen. Zusammen wollen sie die populären Smartphone-Apps von Drittanbietern auf Dauer überflüssig machen - und endlich wieder mehr Geld in die eigenen Kassen spülen. Allerdings kann RCS-e auch als Vorläufer des technologischen Wandels hin zur allumfassenden mobilen Kommunikation über das Internet-Protokoll verstanden werden. Die zukünftigen sogenannten "Full-IP-Lösungen" sorgen für geringere Auslastung der Netzinfrastruktur, verschmelzen Sprachtelefonie und Datendienste und sollen den Betreibern auf diese Weise helfen, effektiver zu wirtschaften und Kosten einzusparen.

"Für die Smartphone-Nutzer ist das Neue an RCS-e, dass es unterschiedliche Multimedia-Dienste direkt in die Grundfunktionen des Geräts integriert", sagt Thorsten Höpken von Vodafone. Möchte man eine bestimmte Person kontaktieren, wird das Gerät künftig einen Vorschlag unterbreiten, welcher Kanal derzeit der günstigste ist, um sie zu erreichen. Für eine Kurznachricht könnte dies zum Beispiel eine Facebook-Mail sein, falls der jeweilige Adressat derzeit im sozialen Netzwerk eingeloggt ist. Befindet er sich in einer infrastrukturell schlecht ausgebauten Gegend ohne mobiles Breitbandnetz, würde die Option Videotelefonie als "nicht möglich" angezeigt. Eine der Stärken von RCS-e ist es also, in Echtzeit den Status aller Adressbuchkontakte zu überblicken. Oder, wie Ralf Opalka von Telefónica Germany (O2) es ausdrückt: "Im Gegensatz zu vorhandenen Messaging-Diensten müssen sich Kunden keine Gedanken machen, welcher Kontakt welchen Messenger nutzt und wer wie am besten zu erreichen ist."

Den neuen Standard sollen Hersteller künftig ab Werk in das Betriebssystem der Smartphones einpflanzen - und damit das grenzenlose Versenden von Nachrichten, Multimedia-Inhalten, Chats und Videos ermöglichen, egal ob Sender oder Empfänger ein Apple-, Android- oder Blackberry-Gerät nutzen. Dies kann aber nur funktionieren, wenn beide Kommunikationspartner ein mit RCS-e ausgestattetes Gerät haben und Kunde eines Mobilfunkbetreibers sind, der die Technologie unterstützt. Bis auf E-Plus, das erst einmal abwartet, sind in Deutschland alle mit der Einführung von RCS-e beschäftigt.

Unklar ist derzeit allerdings, welche Smartphone-Hersteller Interesse haben, den neuen Standard zu etablieren und in ihre Hardware zu integrieren - und wann das der Fall sein wird. Samsung sieht sich derzeit nicht in der Lage, ein Statement abzugeben, und Apple richtet aus, man spreche "nie über die Zukunft". Falls der kalifornische Konzern nicht mitspielt, würde das Projekt RCS-e zumindest einen Teil seines ursprünglichen angepeilten Ziels verfehlen, da die inzwischen beträchtliche Zahl an Besitzern von Apples iPhone die neuen Funktionen des Dienstes nicht nutzen könnten und damit als Kommunikationspartner über RCS-e praktisch ausfallen würden. Derzeit sieht es so aus, als wäre Nokia mit dem neuen Dienst vorn: "Nokia sieht die Wichtigkeit von RCS-e für Netzbetreiberkunden und auch die Vorteile, die es Endkunden bieten kann. Deswegen ist RCS-e bereits in den Symbian Smartphones der neuesten Generation integriert", heißt es aus dem Konzern.

Die Telekom rechnet mit einer Einführung der Technik noch im kommenden Sommer. Danach wird es allerdings wohl noch eine Zeit dauern, bis eine größere Menge an Smartphone-Nutzern die passenden Geräte besitzt. Es soll jedoch auch möglich sein, anhand von Firmware-Updates zahlreiche bereits auf dem Markt befindliche Handys "aufzurüsten", sagt Vodafone-Sprecher Thorsten Höpken.

Ob die neue Messenger-Technik also die Kommunikations-Apps abhängen kann, die längst weitreichend auf den Smartphones installiert sind? Whatsapp, Skype und der PingChat-Nachfolger Touch sind plattformübergreifend verfügbar, gerade das Versenden von Text oder Bildern ins Ausland funktioniert mit ihnen praktisch kostenlos - bezahlt werden muss nur die Daten-Flatrate. Und wie funktioniert der neue Dienst im Ausland? Derzeit sind es in Europa lediglich Mobilfunkbetreiber in Spanien und Deutschland, die die Technologie in absehbarer Zeit einführen. Die Smartphone-Nutzer in allen anderen Ländern können weiterhin nur über SMS erreicht werden, sofern sie auf keine der oben genannten Apps von Drittanbietern zurückgreifen. Und bei Multimedia-Inhalten muss in diesem Fall weiterhin eine MMS verschickt werden, was länderübergreifend sehr teuer werden kann.

Gänzlich unbeantwortet bleibt derzeit die Frage, ob Smartphone-Nutzer neben den Kosten für das mobile Internet auch für das reine Verschicken einer Nachricht oder das Starten eines Chats über den neuen Standard zahlen müssen. "Das Geschäftsmodell ist noch offen", heißt es bei Vodafone und der Telekom. Sollten die dann angebotenen Dienste extra kosten, darf angenommen werden, dass viele Nutzer zunächst weiterhin die bewährten Apps von Drittanbietern nutzen werden. Rafaela Möhl vom Telekommunikationsportal Teltarif.de schätzt die Situation der Mobilfunkkonzerne im Bereich Messaging derzeit als schwierig ein. Sie müssten in einen Markt vorstoßen, in dem andere Anbieter schon weit verbreitet sind.

Derzeit stellt sich vor allem die Frage, wie lange es wohl dauern wird, bis die große Masse der Smartphone-Nutzer RCS-e-taugliche Geräte besitzt und die Kommunikationsfunktionen damit attraktiv macht. Dies ist auch abhängig davon, welche Hardware-Hersteller die neue Technologie in ihre künftigen Produkte integriert. Ganz nebenbei gilt es, die Kunden von den Vorteilen von RCS-e zu überzeugen, damit sich der Standard langfristig durchsetzen kann.

Was dabei vor allem zählt, sind die Kosten. Der Erfolg des neuen Standards wird über den Preis entschieden werden. Kaum ein Nutzer wird sich bereit erklären, einen bis heute fürs Versenden von MMS üblichen Preis von 39 Cent für einen Gruppenchat zu zahlen, denn kostenlose Alternativen in Form von Apps gibt es eben genug.