Eine Basler Ägyptologin entdeckte im Tal der Könige das Grab einer Priesterin. Es war noch nicht, wie die meisten anderen, geplündert worden.

Basel. Es ist eine archäologische Sensation ersten Ranges und ein einmaliger Glücksfall in der Karriere der Basler Ägyptologin Susanne Bickel, 51: Am 12. Januar öffnete sie zusammen mit ihrem Team im berühmten Tal der Könige in Oberägypten ein unberührtes Grab aus der Zeit der Pharaonen. Es ist das 64. Grab in der berühmten Totenstadt, befindet sich in einer Nebenschlucht in unmittelbarer Nähe zum Grab des berühmten Pharao Tutmosis III., und es ist der bedeutendste Fund seit der Entdeckung der Schatzkammer im Grab des Tutanchamun im Jahr 1922 durch den Engländer Howard Carter.

Anders gesagt: Was nun als "KV 64" auf den Karten für die Touristen und die Fachwelt eingetragen wird, ist für die Archäologin so etwas wie ein Sechser im Lotto. "Sicher ist das ein einmaliges Erlebnis in meiner Karriere", freut sich Bickel über den Fund, auf den sie ein Jahr lang warten musste. "Es wurden zusammen mit unserem Fund bisher überhaupt nur vier Gräber gefunden, die nicht von Grabräubern vergangener Jahrhunderte ausgeraubt waren."

Bickels Forschungsschwerpunkte sind die ägyptische Religions- und Kulturgeschichte sowie die Archäologie. Dass sie einmal ein unberührtes Grab finden würde, war nicht vorherzusehen. Seit 2009 sind die Basler Forscher im Tal der Könige unterwegs, wo die Erforschung einer Reihe undekorierter, bereits bekannter kleinerer Grabkammern im Umfeld des Grabes von Tutmosis III. auf ihrem Programm steht. Ein Job, der eigentlich eher nach Routine klingt. Nur zufällig stieß die achtköpfige Grabungsgruppe am 25. Januar 2011 auf rund fünf Zentimeter bearbeitetes Gestein im Sand. "Das hätte aber irgendwas sein können, vielleicht ein Schacht des bereits entdeckten Grabes nebenan", betont die Ägyptologin, die seit zwölf Jahren in Basel tätig ist.

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Der 25. Januar 2011 war aber auch der Tag, an dem in Ägypten die Revolution begann, und so mussten die Arbeiten im Tal der Könige zunächst ruhen. "Es war politisch zu unruhig, die Bürokratie war kompliziert und wir hatten alle daheim in Basel zu tun, also haben wir zunächst nur die Fundstelle mit einer Stahltür gesichert, die Grabungserlaubnis beantragt und nichts veröffentlicht", so Bickel weiter. Dann, am 8. Januar 2012, konnte es auf dem nun großflächig abgesperrten Areal endlich losgehen mit der Grabung. "Es hätte auch nichts dabei rauskommen können", erklärt die Forscherin. "Doch schon am dritten Grabungstag stießen wir auf die versiegelte Grabkammer." Ein einziger Stein war bereits nach innen gefallen, und so konnten die Forscher schon durch das Loch in der Mauer auf den Sarkophag schauen.

"Ein paar Tage darauf haben wir dann den Sarkophag geöffnet und die perfekt erhaltene Mumie einer etwa 1,55 Meter großen Frau gefunden", erzählt Bickel weiter, und die Spannung, Freude und Aufregung über den Sensationsfund schwingen in ihrer Stimme mit. Die Öffnung des Sargs erfolgte in erster Linie, um dessen Inhalt für den Transport zu sichern. Neben dem Sarkophag wurde eine Stele, also ein Schild aus Holz, in dem Grab gefunden. Weitere Grabbeigaben fanden sich nicht. "Bei der Graböffnung waren der Chefinspektor von Oberägypten, der Grabungsinspektor, unsere Grabungsleiterin, der Vorarbeiter und ich beteiligt." Für die weitere Erforschung wird das Team nun auf elf Fachleute aufgestockt.

Die nähere Untersuchung der Mumie steht noch an. Klar ist bisher, dass die Steinkammer aus der Zeit der 18. Dynastie des ägyptischen Reichs stammt und damals erstmals als Grab genutzt wurde. Diese Zeit liegt rund 3500 Jahre zurück. Der hölzerne schwarze Sarkophag in der rund vier mal 2,4 Meter großen Kammer und die kleine, bunt geschmückte Holzstele stammen aber aus der 22. Dynastie, die im 9. Jh. v. Chr. anzusiedeln ist. Auf der Holzstele steht geschrieben, wer hier bei der "Zweitbelegung" dieser Grabkammer begraben wurde: Es handelte sich um eine Frau namens Nehemes-Bastet, deren Vater ein Priester im nahe gelegenen Tempel von Karnak war.

Die Frau stammte also aus einer einflussreichen Familie und war selbst "Sängerin des Amun", also eine Art Priesterin des Gottes Amun. "Im Tal der Könige wurden neben Herrschern auch Mitglieder der gesellschaftlichen Eliten Ägyptens bestattet", erklärt Susanne Bickel. "Diese Gräber stellen den überwiegenden Teil der Kammern dar." Viele sind bekannt, aber noch nicht ausführlich erforscht. "Sicher wird die Holzstele bald im Museum zu sehen sein", hofft Susanne Bickel. "Und vielleicht wird sie ja auch einmal im Rahmen einer Ausstellung ins Ausland ausgeliehen werden."

Der Fund des Basler Forschungsteams ist wissenschaftlich sehr bedeutend: "Er liefert wertvolle Informationen zu zwei unterschiedlichen Nutzungsphasen", erläutert Grabungsleiterin Elina Grothe-Paulin. Da das Grab nie geplündert wurde, lassen sich hier die Verschlusssysteme der Grabstätte sowie die originale Anordnung des Sarkophags und die bemalte Holzstele exakt dokumentieren. Und: Unter dem Schutt, der sich in der Kammer befindet, vermuten die Forscher noch weitere Reste aus der Zeit der ersten Nutzung des Grabes vor rund 3500 Jahren. Damals begannen die Ägypter, das heutige Tal der Könige als Nekropole, also als Totenstadt, zu nutzen.