Gärtner der Universität Hamburg sammelten im Gebirge Samen von mehr als 250 Pflanzenarten. Austausch der Botaniker gibt es seit 25 Jahren.

Hamburg. In mehr als 250 braunen Papiertüten, feinsäuberlich beschriftet und verstaut, kam die kostbare Fracht nach Hamburg: Samen und Zwiebeln verschiedener Pflanzen aus dem Kaukasus, vom Orientalischen Eisenhut über die Goldlackblättrige Flockenblume bis zum Gletscher-Gedenkemein. Drei Gärtner des Botanischen Gartens der Universität Hamburg waren mit Kollegen aus Göteborg, St. Petersburg und Shanghai auf einer Sammelexpedition in drei Hochgebirgsregionen des Nord-West-Kaukasus unterwegs - im Rahmen des Internationalen Gärtneraustauschs, der vor 20 Jahren von Loki Schmidt ins Leben gerufen wurde.

+++Vortrag zum Austausch+++

Die Schritte im Schatten von Europas höchstem Berg, dem Elbrus (5642 Meter), sind auch Schritte in eine neue Richtung der weltweiten Zusammenarbeit von botanischen Gärten. "Uns ist bewusst, dass wir häufig überall die gleichen Pflanzen kultivieren. Das ist nicht unbedingt immer sinnvoll", sagt Dr. Carsten Schirarend, Wissenschaftlicher Leiter des Botanischen Gartens der Uni Hamburg. Wie einige zoologische Gärten es bereits handhabten, gebe es auch bei den botanischen Gärten die Idee von Zuchtbüchern - der wissenschaftlichen Überwachung, welcher Garten welche Art aus welchem Ursprung beherbergt und zur Vermehrung bringt. So ließe sich, durch einen koordinierten Austausch von Nachzuchten, die genetische Vielfalt erhalten - besonders bei bedrohten Arten ein wichtiger Faktor. Darin unterschieden sich Tiere und Pflanzen wenig.

Vorerst läuft der Austausch noch auf persönlicher Ebene. Mirko Marzke, Volker Struß und Christian Meyer-Zerrhusen reisten so in das Heimatland der Nordmanntanne, von denen viele Exemplare derzeit, wie nach jedem Weihnachtsfest, ihr Leben weggeworfen an Hamburgs Straßenrändern aushauchen. "Im Kaukasus werden die Bäume bis zu 60 Meter hoch", erzählt Marzke. Ein beeindruckender Anblick - und eine extrem anstrengende Aufgabe, wenn man die Samen der Bäume einsammeln will. Denn Nordmanntannen werfen ihre Zapfen nicht ab.

Doch Marzke und seine Kollegen hatten es auf andere Arten abgesehen. "Insgesamt gibt es 6350 Blütenpflanzen im Kaukasus, davon 1600 endemische Arten - also Pflanzen, die nur dort vorkommen", sagt der Fachgärtner, der sich in Klein Flottbek besonders um die Gestaltung der Beete kümmert. 200 bis 300 Arten aus dem Hochgebirge zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer seien bereits in Hamburg zu sehen: "Zum einen in unserer speziellen Kaukasus-Abteilung und im Kalthaus, aber auch in den Zier- und Nutzpflanzenbeeten. Der Kaukasus ist eine große Quelle für Zierpflanzen."

Für Gärtner sei es optimal, Gewächse an ihrem Originalstandort kennenlernen zu können, sagt Marzke: "Zu sehen, unter welchen Lichtverhältnissen sie dort gedeihen, auf welchem Boden und in welchen Pflanzengesellschaften, ist für unsere Arbeit sehr wichtig." Diese Arbeit unterstützt die Hamburger Stiftung Internationaler Gärtneraustausch, indem sie einen Großteil der Expeditionskosten trug. Gerade auch der Austausch über die Erfahrungen steht bei vielen der Reisen mehr im Vordergrund als das Sammeln von Pflanzen. So konnten die Hamburger Gärtner viel von ihren schwedischen Kollegen über das Kultivieren von Kälte liebenden Pflanzen erfahren, die dafür in Göteborg ein spezielles Alpinenhaus haben. "Wir haben es bisher mit den Arten oftmals zu gut gemeint - sie brauchen es wirklich karg", sagt Schirarend.

Eine dieser Pflanzen ist etwa das Gletscher-Gedenkemein, eine Verwandte des Vergissmeinnichts. Es kommt in hohen Lagen an den Rändern von Gletschern vor und ist auf das Tauwasser aus dem Eis angewiesen. Dass die Teilnehmer der Expedition auch Samen der richtigen Pflanzen erwischten, stellten nicht zuletzt Kollegen von einer Außenstelle des Botanischen Gartens in St. Petersburg am Kaukasus sicher, die die Gruppe begleiteten.

Sollen die aus den gesammelten Samen in Hamburg gezogenen Pflanzen auch als eine Art Arche Noah fungieren, falls die Wildbestände in Gefahr gerieten? "Vor 20, 30 Jahren hat man sich da noch mehr Hoffnungen gemacht", sagt Schirarend. "Aber man kommt bei der Zucht schnell an seine Grenzen." Um die genetische Vielfalt zu erhalten, müssten theoretisch ständig neue, "fremde" Samen für die Vermehrung geholt werden. Mittlerweile seien für den Arche-Gedanken Samenbanken eine echte Alternative, wie sie in Deutschland in Osnabrück und Jena existierten, so Schirarend. Dennoch betreibt der Botanische Garten Hamburg auch mit einigen stark bedrohten Arten eine Erhaltungszucht, etwa mit für Viren anfälligen und damit schwierig zu haltenden Wilddahlienarten aus Mexiko oder einer nur in der Hansestadt heimischen Rote-Liste-Art, dem Schierlings-Wasserfenchel.

Was aus den 250 Tüten aus dem Kaukasus entstehen wird, das erfüllt alle mit Spannung. Doch noch warten die neuen Samen und Krokus-Zwiebeln darauf, eingepflanzt zu werden.