Wegeners Theorie der Plattentektonik revolutionierte unser Bild der Erde. 1912 konnten die Wissenschaftler damit zunächst nichts anfangen.

Bremerhaven. Dass die Ostküste Südamerikas und die Westküste Afrikas wie zwei Puzzlestücke zusammen passen, erkannten viele Naturwissenschaftler schon sehr früh. Doch erst Alfred Wegener zog ab 1910 die richtigen Schlüsse daraus: Es muss einen Urkontinent gegeben haben, der auseinandergebrochen ist und dessen Teile sich über den Globus bis zu ihrer aktuellen Lage verschoben haben. Heute jährt sich zum 100. Mal der Tag, an dem Wegener seine Theorie in einem Vortrag in Frankfurt am Main wissenschaftlichen Kollegen erstmals vorstellte.

Die Reaktionen auf die Thesen des damals 31-jährigen Meteorologen, Physikers und Polarforschers waren ablehnend. Einige Professoren, die an der damals gültigen Lehre der unveränderlichen Lage der Kontinente festhalten wollten, verspotteten Wegener. Dieser gab aber nicht auf und suchte in den folgenden Jahren intensiv nach Beweisen für seine Theorie. „Alfred Wegener hatte damals eigentlich gar keine Chance, seine Hypothese zu beweisen, weil man die Technologie noch nicht hatte“, sagt der Geophysiker Wilfried Jokat vom Alfred Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven in einem vom Institut veröffentlichten Interview.

Spott und Ablehnung kränkten Wegener nach Überzeugung des Wissenschaftshistorikers Reinhard Krause aber wenig. Im Gegenteil, sie spornten ihn an. „Er war von vorn herein felsenfest überzeugt davon, dass seine Theorie richtig ist – und er hat das so ernst genommen, dass er sagte: „Ich muss noch genauer argumentieren und noch bessere Hinweise zur Stützung meiner Thesen finden.“ Wegener ist tiefschürfend in die Sache eingestiegen.“ Nach Krauses Überzeugung kann man Wegener als Kopernikus der Geowissenschaften bezeichnen. „Wegener hat unser Bild von der Erde revolutioniert.“

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Welche Argumente hatte Wegener? Er ging davon aus, dass die Kontinente aus leichterem Material als die Ozeanböden sind und sich wie Eisberge verhalten. Einen Beleg dafür kannte man aus Skandinavien. Dort war das Land in der Eiszeit durch das Gewicht der Gletscher eingesunken und hebt sich bis heute langsam wieder aus dem Meer. Übereinstimmungen in der Tier- und Pflanzenwelt auf verschiedenen Kontinenten stützten Wegeners These der Kontinentdrift. An vielen Orten auf der Welt finden sich Ablagerungen, die nur in tropischen Gewässern entstanden sein konnten – ein klarer Hinweis auf die Wanderung der Kontinente. Über die ursächlichen Kräfte wusste Wegener allerdings nicht viel.

Was sagten seine Gegner? Die vorherrschende Lehrmeinung ging davon aus, dass es in früheren Zeiten Landbrücken zwischen den fest an ihren Positionen verharrenden Kontinenten gegeben haben müsse, anders wären die Artenübereinstimmungen nicht zu erklären gewesen. Diese Landbrücken seien irgendwann untergegangen.

Wie ist der Stand heute? Mit sehr genauen Messverfahren lässt sich nachweisen, dass die Kontinente sich mit ihren Erdplatten um einige Millimeter im Jahr bewegen, angetrieben von einer thermischen Konvektion, von Kräften unterhalb der festen Erdkruste. So wird zum Beispiel der Atlantik breiter, am mittelatlantischen Rücken bildet sich neuer Ozeanboden. Wo Kontinentalplatten aufeinandertreffen, entstehen Faltengebirge. Die Alpen sind ein Beispiel dafür.

An Kollisionsstellen wird Gestein auch in die Tiefe gedrückt (Subduktionszonen). Dort kommt es regelmäßig zu Erdbeben, dort gibt es viele Vulkane. Der Feuergürtel rings um den Pazifik ist ein Beispiel dafür. Im ostafrikanischen Graben zerbricht ganz langsam der afrikanische Kontinent. Der Vorgang dauert jedoch Millionen Jahre, deshalb können wir die Veränderungen innerhalb eines Menschenlebens ohne sensible Messtechnik kaum wahrnehmen

Wegener starb 1930 während einer Grönland-Expedition. Zeitlebens hat er für seine Theorie gekämpft. Endgültige Bestätigung gab es aber erst in den 1960er-Jahren, als die technischen Möglichkeiten dafür vorhanden waren.

Am 6. Januar würdigen das Alfred-Wegener-Institut für Meeres- und Polarforschung und das Senckenberg Naturmuseum den Forscher und den 100. Jahrestag seiner Theorie am Ort des historischen Vortrags in Frankfurt am Main. (dpa)