Beim Wissenschaftsforum präsentierte der Körber-Preisträger Jiri Friml seine Forschung.

Hamburg. Doktortitel mit 27, Professor mit 34, preisgekrönter Leiter eines Forschungsinstituts mit 36 Jahren - wie viel Eitelkeit ist da im Spiel? "Ach", sagt Jiri Friml und verschränkt die Arme hinter dem Kopf, "wenn es mir vor allem um Anerkennung ginge, wäre ich besser Fußballprofi geworden - aber nicht Pflanzenforscher." Damit hatte er die Lacher an diesem Abend wieder einmal auf seiner Seite. Überhaupt zeigte sich der leger gekleidete Tscheche beim Wissenschaftsforum von Hamburger Abendblatt und NDR 90,3 sehr gut gelaunt.

Dazu hatte er auch allen Grund: Die Hamburger Körber-Stiftung verleiht Friml für seine Erkenntnisse über das Pflanzenhormon Auxin den diesjährigen, mit 750 000 Euro dotierten Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft, einen der angesehensten Forschungspreise in Europa. Auf dem Podium vor etwa 150 Gästen im KörberForum saß auch der Hamburger Pflanzenforscher Dr. Hartwig Lüthen vom Biozentrum Klein Flottbek, der Frimls Forschungen kommentierte.

Die Pflanze Acker-Schmalwand dient als Untersuchungsobjekt

Jiri Friml ist Molekularbiologe und Biochemiker; an der Universität Gent in Belgien erforscht er, welche Prozesse die Entwicklung von Pflanzen steuern. Woher weiß eine Pflanze, wann und wo sie Wurzeln, Stängel, Blätter und Blüten bilden muss? Frimls Probandin ist die Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana), eine Pflanzenart aus der Familie der Kreuzblütler, bei der er stellvertretend für andere Pflanzen die besonderen Eigenschaften des Wachstumshormons Auxin untersucht - oft bis zu 18 Stunden pro Tag, wie er auf dem Forum erzählte. "Aber mittlerweile sorgen meine beiden Töchter für etwas Abwechslung in meinem Leben."

Warum diese Faszination für Auxin? "Es gibt in Pflanzen viele Hormone, aber keines ist so vielfältig wie Auxin. Es steuert fast alle wichtigen Prozesse in Pflanzen." Auxin war bereits 1928 von dem niederländischen Biologen Frits Went entdeckt worden. In den folgenden Jahrzehnten fanden Forscher heraus, dass die Biosynthese, also die Herstellung des Hormons, in jungen Geweben der Pflanzen erfolgt, vor allem im Spross und in jungen Blättern. Wie Auxin in der Pflanze verteilt wird, blieb jedoch lange unklar. Erst in jüngerer Zeit konnten vier Forschergruppen nachweisen, dass spezielle Transportproteine - Friml nennt sie "Taxis" - Auxin in alle Teile der Pflanze befördern.

Hier setzte der Tscheche mit seinen Forschungen an. Mithilfe von Spezialmikroskopen und modernsten Färbetechniken stellte er fest, dass die Taxis unterschiedliche Mengen von Auxin in die Zellen befördern - abhängig davon, um welchen Teil der Pflanze es sich handelt. Was die Zellen tun sollen, dass sie etwa wachsen und ein Blatt oder eine Wurzel bilden sollen, ist durch ihr Erbgut festgelegt. Für den Zeitpunkt, an dem sie es tun, spielt das Auxin eine entscheidende Rolle, hat Friml festgestellt: "Es sagt den Zellen, wann sie mit dem Wachsen loslegen können. Auxin ist ein Signalgeber, ein Bote des Wandels."

Mithilfe der Gentechnik lässt sich das Wachstum steuern

Entscheidend für diesen Steuerungsmechanismus sei die jeweilige Konzentration von Auxin in verschiedenen Teilen der Pflanze: Stark vereinfacht dargestellt wüchsen etwa Wurzeln stärker, wenn sie weniger Auxin erhielten; Blätter hingegen wüchsen stärker, wenn durch ihre Zellen mehr Auxin zirkuliere. Diese Erkenntnisse über die "Umverteilung" von Auxin in Pflanzen seien "ein Meilenstein für die Pflanzenforschung", sagte Hartwig Lüthen vom Biozentrum Klein Flottbek.

Doch nicht nur Wissenschaftler interessieren sich für die Erkenntnisse, sondern auch und vor allem Vertreter der Landwirtschaft. Könnte man mithilfe von Auxin nicht Pflanzen züchten, die zum Beispiel längere oder stärker verzweigte Wurzeln haben und damit besonders gut für nährstoffarme Böden geeignet wären?

Vom Preisgeld will Jiri Friml superstarke Mikroskope kaufen

Das sei mithilfe der Gentechnik durchaus möglich, erläuterte Jiri Friml auf dem Forum. "Wir können in bestimmten Teilen der Pflanze die Konzentration von Auxin beeinflussen, in dem wir das Gen, das für die Synthese von Auxin zuständig ist, verändern und damit dafür sorgen, dass mehr oder weniger Auxin produziert wird." So lasse sich das Wachstum der Pflanze sogar an ganz bestimmten Stellen steuern. Als Reaktion auf verwunderte Blicke im Publikum fügte er hinzu: "Das ist keine Science-Fiction, sondern schon heute im Labor technisch möglich."

"Und wie stehen Sie zu solchen transgenen Pflanzen?", fragte ein Zuhörer. Es sei nicht an ihm zu entscheiden, ob seine Forschungsergebnisse zur Anwendung kommen, entgegnete Friml: "Darüber sollten Politik und Wirtschaft entscheiden. Auxinforscher beschäftigen sich nicht mit solchen Fragen." Tatsächlich würden Pflanzen in der Landwirtschaft bereits mit Auxin besprüht, um ihr Wachstum zu steigern. "Wäre es nicht sinnvoller, man könnte sich in der Pflanze das Auxin gentechnisch zunutze machen?" Wenn er sich entscheiden müsste zwischen einer gespritzten und einer gentechnisch veränderten Tomate, würde er die genmanipulierte Variante vorziehen, so Friml.

Das Preisgeld, so sehen es die Statuten der Körber-Stiftung vor, muss Friml in den kommenden drei Jahren für Forschungen in Europa ausgeben. "Was haben Sie damit vor?", fragte eine Zuhörerin. Jetzt, da die Signalfunktion von Auxin in den Zellen bekannt sei, so Friml, gehe es darum, noch präziser zu erforschen, auf welchen Straßen die Taxis das Auxin an ganz bestimmte Stellen in der Pflanze bringen und wie verschiedene Faktoren, etwa Schwerkraft und Licht, diesen Prozess steuern. "Dafür brauche ich superstarke Mikroskope - deshalb kann ich das Preisgeld sehr gut gebrauchen."

Eine Aufzeichnung des Wissenschaftsforums sendet NDR 90,3 am Sonnabend im "Abendjournal Spezial" von 19.05 bis 20 Uhr.