Ein Forscher zählte zwölf Arten mit bis zu einem Meter Länge

Hamburg. Tintenfische leben vor allem im Mittelmeer. Das ist die landläufige Meinung, schließlich kennen viele Menschen die Kalmare und Co. nur ringförmig in Knoblauch-Tomatensoße. Doch die Kopffüßer schwimmen auch in großer Zahl durch die Nordsee - Tendenz steigend. Darauf weisen Beobachtungen von Fischern und Forschern hin.

"Die Tiere profitieren von der Fischerei. Denn sie reduziert die Zahl der Raubfische, die Tintenfische fressen", sagt der Meeresbiologe Daniel Oesterwind von der Christian-Albrechts-Universität in Kiel. Der Stipendiat der Deutschen Bundesstiftung Umwelt schreibt derzeit seine Doktorarbeit zu den Tintenfischen der Nordsee. Er hat zwölf Arten gefunden, vor allem Kalmare (die pfeilförmigen zehnarmigen Tintenfische), aber auch Kraken (die achtbeinigen Octopoden) und Sepien (zehnarmig).

Weltweit werde zudem darüber diskutiert, dass die Klimaerwärmung den Tieren nützt, denn auch in anderen Ozeanen legen die Weichtiere zu. Oesterwind: "Tintenfische können zwar Kälte vertragen, etwa in der Arktis. Aber die Arten in wärmeren Gewässern wachsen schneller. Dort erreichen sie auch schneller eine Größe, in der sie von Raubfischen wie Kabeljau oder Seehecht nicht mehr gefressen werden."

Die Tintenfische sind selbst reine Fleischfresser. Sie nehmen jedoch alles, was ihnen in ihre Schnäbel gerät, zeigten Oesterwinds Untersuchungen. "In der südlichen Nordsee fressen sie mehr Sprotten, im nördlichen Bereich mehr Stintdorsch, je nach Vorkommen der Arten." Nur die Größe des Beutetieres sei entscheidend, und die hängt natürlich mit der eigenen Größe zusammen - ein Langflossenkalmar der nördlichen Nordsee, etwa im Gebiet der Shetlandinseln, kann durchaus einen Meter messen - und verspeist dann bis zu 30 Zentimeter große Heringe. Deshalb sehen die Nordsee-Fischer den Wachstumstrend skeptisch. Sie berichten, dass immer mehr Tintenfische in den Schleppnetzen landen. Oesterwind: "Wir haben keine harten wissenschaftlichen Daten, die das belegen. Aber auch der Vergleich von Forschungsfahrten lässt diesen Schluss zu: Während in den 1960er- und 1970er-Jahren an etwa zehn Prozent der angelaufenen Erhebungspunkten Tintenfische den Forschern ins Netz gingen, wurden sie zum Beispiel auf der jüngsten Fahrt im Januar/Februar dieses Jahres an rund 90 der 121 Stationen gefunden."

Die ersten Fischer stellten sich auf die neue Lage ein, erzählt Oesterwind. In den Niederlanden werden gerade zwei Boote für den Fang von Tintenfischen ausgerüstet. Dass Calamares (in die Landessprachen übersetzt) bald auch auf den Speisekarten der Nordseeanrainer stehen, hält Oesterwind für nicht ausgeschlossen: "In Norwegen und Schottland werden Tintenfische schon vereinzelt genutzt. Die Tiere bestehen komplett aus Eiweiß, sind ein hochwertiges Nahrungsmittel - und eine schöne Alternative zu Fisch." Nicht nur am Mittelmeer.

Vortrag "Die faszinierende Welt der Tintenfische" von Daniel Oesterwind: Donnerstag (3.6.), 19 Uhr, Internationales Maritimes Museum, Koreastr. 1 (Kaispeicher B), Eintritt 7 Euro