Eine Abkehr von starren Deichlinien zugunsten eines sanften Übergangs von Meer und Land, den Mensch und Natur gleichermaßen nutzen können - das ist das "Zukunftsbild für eine klimasichere Wattenmeerregion", das die Michael-Otto-Stiftung gestern präsentierte. "Es ist ein Angebot an Politik und Gesellschaft, sich bereits heute mit den Fragen zu befassen, die früher oder später ohnehin beantwortet werden müssen", betonte Dr. Michael Otto. Seine Stiftung hatte Küstenschutzexperten, Landschaftsarchitekten und Meeresökologen zusammengebracht, um das Konzept zu erstellen.

Die größte Neuerung ist das "flexible Lagunenland", das zwischen dem Hauptdeich und dem durch Sommerdeiche und andere Küstenbauten geschützten Marschland liegt. Es soll durch verschließbare Durchlässe, etwa die heutigen Deichsiele, den Gezeiten ausgesetzt werden. Dabei soll nur so viel Wasser ein- und ausströmen, wie es die Bedürfnisse der vielfältigen Nutzer dieses Küstenstreifens erfordern.

Die Experten sehen ein Mosaik aus Wasser- und Landflächen entstehen, das Naturtouristen und Wassersportler anlockt. Landwirte könnten Aquakulturen betreiben oder Schilf anbauen. Weitläufige Dünenlandschaften, Binnenstrände oder romantische Winkel in Schilfgürteln dienen Erholungssuchenden. Die ein- und ausströmenden Tiden können Wasserkraftwerke betreiben, die die Ökostromproduktion aus Wind- und Solarenergie ergänzen.

Obwohl die Deichlinie "löchrig" wird, will das Konzept auch den Küstenschutz verbessern. Langfristig seien die starren Hauptdeiche kaum zu halten, so die Experten. Das Zukunftsbild kalkuliert mit ein, dass höher auflaufende Sturmfluten die Hauptdeiche überspülen könnten. Aber auch diese Naturgewalt soll gebändigt werden: Die Deiche erhalten Überlaufbereiche, an denen das einströmende Wasser in Auffangbecken (Flutpolder) geleitet wird. An anderen Stellen könnten die Deiche so stark verbreitert werden, dass sie wie Warften besiedelt werden können.

Das Zukunftsbild will Menschen und Meer wieder näher zusammenbringen. Schließlich haben die Küstenbewohner seit Jahrhunderten gelernt, sich an die dynamische Küste, die heute Weltnaturerbe ist, anzupassen.