Wie Schweine unter Stress klingen und was Bauern dagegen tun können, fanden Wissenschaftler am Leibniz-Institut für Nutztierbiologie heraus

Es ist wie im Wartezimmer. Wenn der eigene Namen erklingt, ist dies das Signal "jetzt bin ich dran". Dieses Verfahren funktioniert auch im Schweinestall. Griselda, Edelgard und die 48 anderen Sauen wissen, dass sich der Weg zum Futterautomaten nur dann lohnt, wenn sie ihren Namen hören. Seither geraten sie nicht nur seltener aneinander, sie sind auch geistig mehr gefordert als bei einer normalen Fütterung. Das bleibt nicht ohne Folgen: "Die Tiere sind deutlich munterer und weniger ängstlich", sagt Prof. Gerhard Manteuffel vom Leibniz-Institut für Nutztierbiologie (FBN) in Dummerstorf bei Rostock, der seit vielen Jahren die Lautäußerungen von Schweinen untersucht.

Wird die Psyche gestärkt, ist das Schwein auch gesünder

In einem vom Bundeslandwirtschaftsministerium geförderten Projekt entwickelte das Team in Dummerstorf das neue Fütterungskonzept, das auf die Lernfähigkeit des Borstenviehs setzt. In Zusammenarbeit mit dem Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit in Celle und einer Firma für Stallausrüstung haben die Forscher einen Futterautomaten mit einem Lautsprecher bestückt. Nach einem ausgeklügelten System ruft der nun jedes Schwein einzeln auf, sodass diese sich nur nacheinander ihre Portionen abholen können. Immer wieder machen die vierbeinigen Probanden die Erfahrung, dass ihre Aktivitäten zuverlässig mit Futter belohnt werden. Solche Erfolgserlebnisse stärken offenbar die Schweine-Psyche - mit messbaren Auswirkungen auf die Gesundheit. So haben die Forscher in einem früheren Versuch mit Jungschweinen nicht nur Veränderungen im Immunsystem nachgewiesen, sondern auch eine schnellere Wundheilung.

Die Futterverteilung ist ein häufiger Grund für Stress im Stall. Wenn sich zu viele Tiere um wenige Futterstellen drängeln, kommt es oft zu heftigen Beißereien. Es muss nicht immer gleich eine individuelle Zuteilung sein: Je nach Stall und Anzahl der Bewohner kann es schon helfen, weitere Futterstellen einzurichten oder die Rationen nach und nach auszuteilen statt alle auf einmal.

"Den Erfolg solcher Maßnahmen kann der Halter mit unserer Software kontrollieren", sagt Manteuffel. Ein Computerprogramm namens Stremodo kann die Stresslaute von Schweinen erkennen und von allem anderen Gegrunze und Gequieke unterscheiden. Wer einen Laptop mit der Software und einem Mikrofon in den Stall stellt, kann die Stimmung in der Schweinegesellschaft rund um die Uhr überwachen und so die für die Tiere besonders belastenden Situationen erkennen.

Bei der Programmentwicklung zeichneten die Forscher zunächst systematisch auf, in welchen Situationen die Tiere welche Geräusche machen. So lässt sich herausfinden, ob bestimmte Äußerungen immer wieder im gleichen Zusammenhang auftauchen. Sehr typisch für Sauen ist zum Beispiel ein rhythmisches Grunzen, das dem Nachwuchs signalisiert: "Es gibt Milch!" Da Schweinemütter immer nur kurz zum Säugen bereit sind, müssen sich die Ferkel diese Botschaft gut einprägen und schnell darauf reagieren. Schweine können aber auch mitteilen, ob sie mit Stall und Haltung zufrieden sind. "Die Laute von Nutztieren sind vor allem ein Ausdruck ihrer Emotionen", sagt Manteuffel. Er vergleicht das mit dem Ausruf eines Hobby-Handwerkers, der sich mit dem Hammer auf den Daumen geklopft hat: Das unwillkürliche "Au!" ist sicher kein Höhepunkt der Sprachkunst. Aber ziemlich aussagekräftig.

Unter Schweinen gibt es das sogenannte Kontaktgrunzen, das oft aus den Rüsseln entspannt herumlaufender Tiere dringt. "Das bedeutet, dass ein Schwein mit sich und der Welt im Reinen ist", sagt Manteuffel. Quieklaute dagegen können ein Zeichen von Angst oder Aufregung sein. Solche Geräusche sind oft zu hören, wenn die Forscher ein Schwein allein in eine Art Arena setzen. Es gibt Exemplare, die trotz dieser für ein Herdentier ungewöhnlichen Situation stumm bleiben. Andere verfallen in immer aufgeregteres Quieken, das manchmal sogar in regelrechtes Schreien übergeht. Warum die Schweine so unterschiedlich reagieren, weiß bisher niemand. Manteuffel vermutet aber, dass vor allem die Tiere an der Spitze der Borstenvieh-Gesellschaft mit dem Alleinsein unzufrieden sind - "die Rangniederen genießen es vielleicht, wenn mal kein Artgenosse auf ihnen herumhackt", spekuliert der Forscher.

Ein markerschütternder Schrei geht mit hohen Stresshormonwerten einher

Auch andere Situationen strapazieren das Nervenkostüm des Schweins. Wenn man ein Tier hochnimmt, schallen ganz ähnliche Laute durch den Stall wie beim Kastrieren von Ferkeln oder beim Verabreichen von Spritzen. Eine Blutprobe bestätigt den Verdacht: Schweine, die so markerschütternd schreien, haben einen hohen Gehalt an Stresshormonen im Körper. Wer diese Laute hört, hat keinen Zweifel daran, dass sich das Tier sehr unwohl fühlt. Das Problem ist nur, dass in vielen modernen Ställen nur noch selten menschliches Personal anwesend ist. Da verhallen Stress-Signale oft ungehört.

Dabei hätten Landwirte durchaus Interesse an diesen Botschaften. Schließlich wächst gestresstes Borstenvieh schlechter und wird leichter krank. Wer die Auslöser für das Geschrei kennt, kann die Haltung vielleicht stressfreier gestalten. Auch ohne Futterautomaten.