Alle zweieinhalb Minuten stirbt ein Wildtier auf deutschen Straßen. Brücken, Tunnel und speziell gesicherte Übergänge sollen dafür sorgen, dass nicht mehr so viele unter die Räder kommen. Das Geld kommt aus dem Konjunkturpaket.

Hamburg. Diese Zahl ist erschreckend: Alle 2,5 Minuten wird ein Wildtier auf deutschen Straßen getötet. Bei einigen Arten wirkt der Blutzoll bestandsgefährdend; so ist der Straßenverkehr bei Wildkatzen und Fischottern Todesursache Nummer eins. Damit wird die Zerschneidung der Landschaft auch zum Artenschutzproblem. Nun bekommen Deutschlands Wildtiere Unterstützung von ganz oben. Das Bundesumweltministerium legte in dieser Woche das "Bundesprogramm Wiedervernetzung" vor, um wichtige Lebensräume neu zu verbinden, die Straßenblockaden von tierischen Wanderrouten durch Brücken und andere "Querungshilfen" aufzulösen.

"Das Programm ist eine beispielhafte Zusammenarbeit zwischen dem Naturschutz- und dem Verkehrssektor", sagt Prof. Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz (BfN). Die Allianz aus Naturschützern inklusive Jägerschaft, Straßenverwaltung und ADAC verfolgt ein gemeinsames Ziel: die Zahl der Wildunfälle (etwa 250 000 Kollisionen jährlich plus große Dunkelziffer) deutlich zu senken. Dies dient neben der Natur auch der Verkehrssicherheit. Im Jahr 2008 wurden etwa 3000 Autofahrer verletzt, weil sie mit Wild kollidierten oder ihm ausweichen wollten. 27 Menschen starben.

Unter den registrierten Opfern in der Tierwelt dominieren die Rehe mit etwa 200 000 toten Tieren jährlich. Hinzu kommen etwa 15 000 Wildschweine, 3000 Hirsche und jede Menge Kleintiere, die sterben, ohne großen Schaden anzurichten, sodass der Unfall nicht der Polizei, Versicherung oder dem örtlichen Jäger gemeldet wird. Experten schätzen, dass die Gesamtzahl der tierischen Verkehrsopfer 20-mal größer ist. Seit Jahren will die Politik gegensteuern. Der Naturschutzbund, der BUND und der Deutsche Jagdschutz-Verband (DJV) haben längst Konzepte vorgelegt, um die ärgsten Wanderbarrieren aus dem Weg zu räumen. Jetzt sind dazu die Weichen gestellt. Im Konjunkturpaket II sind gut 69 Millionen Euro für 17 Projekte vorgesehen, um den Wildtieren Brücken zu bauen (Schäden durch Wildunfälle: jährlich 500 Millionen Euro). Zudem ist mit dem Verkehrshaushalt 2010 erstmals festgelegt, dass aus dem Budget für den Unterhalt von Bundesfernstraßen auch Querungshilfen bezahlt werden können. Damit stehen die finanziellen Mittel bereit. Und für potenzielle Maßnahmen gibt es eine gemeinsame wissenschaftliche Basis.

In jahrelanger Kleinarbeit haben Biologen, Geografen, Landschaftsplaner Daten gesammelt und mit ihnen "Lebensraumnetzwerke" der Kategorien Feucht- und Trockengebiete sowie Wälder erarbeitet. Sie zeigen die wertvollsten - weil noch unzerschnittenen - Gebiete und legen Korridore fest, um die Refugien zu verbinden. Die Netze werden mit dem Fernstraßennetz abgeglichen. Daraus ergeben sich etwa 30 000 Konfliktpunkte. Die Wissenschaftler ermittelten die neuralgischen Stellen. 122 Projekte haben nun oberste Priorität.

"Jetzt liegt ein Gesamtplan vor, der es uns ermöglicht, zielgenauer vorzugehen", lobt Peter Reichelt, Präsident der Bundesanstalt für Straßenwesen, das Bundesprogramm. Die wichtigsten Baumaßnahmen sind Brücken, die über bestehende Straßen führen und nicht wie bisher an Neubauprojekte gebunden sind. Solche Grünbrücken müssen relativ breit sein (etwa 50 Meter), damit das Wild sie akzeptiert. "Technisch wissen wir, wie sie zu bauen sind", sagt Dr. Heinrich Reck vom Ökologie-Zentrum der Universität Kiel. Aber noch seien die Brücken zu teuer - "die Kosten von 100 Brücken entsprechen etwa zwei Drittel des Betrags der Elbphilharmonie".

Einen anderen Weg beschritten Forscher der Forstlichen Versuchsanstalt (FVA) Baden-Württemberg. Sie statteten einen unfallträchtigen, sechs Kilometer langen Bundesstraßenabschnitt mit einem elektronischen Wildwarnsystem aus. Die Straße wurde eingezäunt und mehrere Überwege (Wechselschleusen) gelassen. Dort sitzen Sensoren. Wenn sie wechselwillige Wildtiere (ab Mardergröße) registrieren, beginnen mit Leuchtdioden bestückte Warnschilder zu blinken. "Die Warnung vor der akuten Gefahr wird stark beachtet, im Gegensatz zum üblichen Wildwechsel-Schild", sagt Martin Strein von der FVA. "Die Unfallzahlen sanken von jährlich um 25 auf null in 2009."

Allerdings seien Schutzzäune starke Barrieren für das Wild, betont Dr. Wolfgang Bethe, Vizepräsident des DJV: "Tiere, etwa Rothirsche, wandern tagelang am Zaun hin und her, bis sie aufgeben." Der Jäger lobt den geplanten Brückenbau, warnt aber auch: "Wir brauchen eine Integration in die Raumplanung. Was helfen Grünbrücken, wenn sie nach einigen Jahren in Industriegebiete oder Mais-Monokulturen führen?"

Informationen im Internet:
www.bfn.de , Stichwort Landschaftsplanung,
www.jagd-online.de ,
www.nabu.de , Suchwort Bundeswildwegeplan