Als hätte die katholische Kirche derzeit nicht schon genug Ärger: Jetzt behauptet ein Frankfurter Wissenschaftler, den heiligen Benedikt habe es nie gegeben. Immerhin berufen sich die Benediktinermönche auf den Heiligen und seine Lebensregeln. Sogar der Papst, der Deutsche Joseph Ratzinger, trägt als Benedikt XVI. seinen Namen. Der Heilige sei "eine Art Kunstfigur, an die man sich wie an eine historische Gestalt erinnert", meint Johannes Fried im Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit". Von 1996 bis 2000 war er Vorsitzender des deutschen Historikerverbands, er zählt zu den führenden Mittelalterhistorikern Deutschlands.

Der Forscher will bei der Analyse der Quellen über das Leben des Mönchsheiligen darauf gekommen sein. Benedikt hat der Überlieferung nach im sechsten Jahrhundert in Italien gelebt. Als Erfinder des Heiligen vermutet Fried ein halbes Jahrhundert später Personen im Umfeld des Papstes Gregor des Großen, der den Einfluss der Mönche in der Kirche stärken wollte.

Die Benedikt-Legende habe mit einer herkömmlichen Heiligenvita nichts zu tun. "Wo historische Ereignisse auftauchen, geschieht dies jenseits aller zeitlichen Logik", erklärte Fried. Die Geschichte sei in der "Sprache des Mythos" verfasst und eher "symbolisch stilisiert".

Für ein Phantom sind erstaunlich viele Details aus dem Leben Benedikts von Nursia (heute Norcia) bekannt, einem Ort bei Perugia in Italien. Er studierte in Rom, lebte später unter Einsiedlern und zog sich in eine Höhle bei Rom zurück. Dort wurde im zwölften Jahrhundert das Kloster Benedetto gegründet. Zu Lebzeiten leitete Benedikt das nahe gelegene Kloster in Vivovaro. Zwölf Klostergründungen gehen auf ihn zurück, auch das Kloster Monte Cassino, das Mutterkloster der Benediktiner. Gründonnerstag 547, am 21. März, soll er in Monte Cassino gestorben sein.

Berühmt wurde Benedikt durch das nach ihm benannte Regelwerk des ehelosen Lebens, der einfachen Ernährung und mit festen Zeiten für Gebete und Arbeit ("Bete und arbeite", lateinisch "Ora et labora"). Er hat Klöster gegründet, aber keine Ordensgemeinschaft. Die Bezeichnung Benediktinerorden kam erst auf, als der Vatikan die Benediktiner später rechtlich als Orden einstufte.