CO 2 wäre ein guter Ersatzstoff, meint das Umweltbundesamt. Doch die Autohersteller legen sich noch nicht fest.

Hamburg. Die höher stehende Sonne bringt die Auto-Klimaanlagen allmählich auf Touren. Sie arbeiten mit dem Kältemittel R134a, das gut 1300-mal klimaschädlicher ist als Kohlendioxid (CO 2 ), wenn es im Normalbetrieb oder später bei der Verschrottung aus den Anlagen entweicht. Bereits 2006 hat die EU beschlossen, dass in neuen Pkw-Typen von 2011 an nur noch Kältemittel eingesetzt werden dürfen, die maximal 150-fach stärker wirken als CO 2 . Ausgerechnet das bekannteste aller Treibhausgase gilt selbst als die ideale Substanz zum Kühlen. Doch tut sich die Autoindustrie schwer, dem CO 2 den Weg zu bahnen.

Während der Verband der Automobilindustrie (VDA) sich bereits im September 2007 auf das "besonders umweltfreundliche natürliche Kältemittel" CO 2 festgelegt hatte, pocht er inzwischen auf eine weltweit einheitliche Lösung. Und die ist bisher nicht in Sicht. Denn eine zweite Substanz mit dem Kürzel HKFW-1234yf macht dem CO 2 Konkurrenz. HFKW steht für teilfluorierte (HF) Kohlenwasserstoffe (KW), die synthetisch hergestellt werden und der Chemieindustrie ein Nachfolgemarkt für das R134a sichern würden. Dagegen fällt CO 2 als Abfallprodukt in verschiedenen Prozessen an und wird zukünftig womöglich - als Klimaschutzbeitrag - in großen Mengen aus Kraftwerksabgasen abgetrennt (CCS-Technologie).

Tipps für den Gebrauch der Klimaanlage

"Bislang gibt es noch keine Entscheidung für oder gegen eine der beiden Alternativen", sagt Eva Lauer, Projektleiterin "Klimafreundliche Kühlung" bei der deutschen Umwelthilfe (DUH). Sie kritisiert seit Längerem den Schlingerkurs der Autohersteller, zumal der Zeitpunkt für die von der EU verlangte Umstellung immer näher rückt. Lauer: "Bislang gibt es keine Großaufträge zur Produktion und Lagerung der Kältemittel. Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass eines von beiden zum Jahreswechsel im großen Umfang zur Verfügung stehen wird. Wir rechnen damit, dass die Autoindustrie in ein paar Wochen bei der EU anklopfen und um Aufschub bitten wird."

Das verneint der VDA: "Selbstverständlich wird die Automobilindustrie die gesetzlichen Vorschriften erfüllen", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber dem Abendblatt. "Derzeit werden noch verschiedene Alternativen geprüft und Untersuchungen zu den Kältemitteln durchgeführt. Eine Entscheidung wird voraussichtlich in den kommenden Monaten fallen."

Da der Einsatz des klimaschonenden Kältemittels zunächst nur für neue Fahrzeugtypen und erst 2017 für alle Neuwagen gelten soll, scheint der geforderte Umstieg noch machbar - die EU habe, "wie auch bei anderen technischen Neuerungen, Rücksicht genommen auf die Produktzyklen der Fahrzeuge", so der VDA.

Umweltexperten halten weitere Forschungen für überflüssig, denn HFKW-1234yf hat nicht nur ein vierfach höheres Treibhausgaspotenzial als CO 2 , sondern ist auch brandgefährlich.

Die Substanz mit der chemischen Bezeichnung Tetrafluorethan kann bei einem Feuer an heißen Oberflächen stark ätzende, giftige Flusssäure (Fluorwasserstoffsäure) bilden, die die Fahrzeuginsassen und Brandhelfer zusätzlich gefährdet. Zudem kann HFKW-1234yf schon bei einer Konzentration von 6,2 Prozent in der Luft explosionsfähig werden, warnt das Umweltbundesamt (Uba). Treten gleichzeitig geringe Mengen Kohlenwasserstoffe aus (zu ihnen gehören Benzin und dessen Zusatz Butan), werden noch kleinere Konzentrationen brisant.

Das Uba hält deshalb das CO 2 für die richtige Wahl und fährt das Kältemittel seit Herbst 2008 in einem Dienstwagen Probe. Es bewähre sich im Alltag, betont das Fachamt. "In Serie werden Klimaanlagen mit CO 2 als Kältemittel aber bis heute nicht produziert, und es mehren sich die Hinweise, dass dies auch in Zukunft nicht geschehen wird."

Uba-Präsident Jochen Flasbarth appelliert deshalb an die deutschen Autohersteller: "Es wäre fatal, zugunsten einer unsicheren Übergangslösung die Chance zu verspielen, mit der innovativen CO 2 -Technik den Weltmarkt anzuführen." Würde CO 2 das heutige R134a weltweit in allen Auto-Klimaanlagen ersetzen, blieben dem Klima jährlich Treibhausgasemissionen erspart, die mindestens 270 Millionen Tonnen CO 2 entsprechen, rechnet das Uba vor - etwa so viel wie der Ausstoß von 150 Millionen Kleinwagen, die jährlich 15 000 Kilometer zurücklegen.

CO 2 -Klimaanlagen für Pkw seien serienreif entwickelt, betont das Uba. In anderen Branchen hält das umweltfreundliche Kältemittel längst Einzug. DUH-Expertin Lauer: "Supermarktketten wie Rewe und Aldi setzen es in neuen Märkten zur Kühlung ein. Und verschiedene Verkehrsbetriebe, darunter die Berliner BVG, haben erste Busse mit CO 2 -Anlagen ausgerüstet."

Zumindest bei dieser Anwendung könnte das ungeliebte Treibhausgas doch noch zum Klimaschützer werden.