Ärzte der Endoklinik in Hamburg verwenden erfolgreich eine Kombination aus Knochenchips und dem Metall Tantal.

Gut gelaunt sitzt Ingrid Stobbe auf ihrem Bett in der Hamburger Endoklinik. Gerade eine Woche ist es her, dass sie ein neues Hüftgelenk erhalten hat - es ist bereits ihr zweites. Sie war erst Mitte vierzig, als ihr in Köln eine Endoprothese eingesetzt wurde, weil sie eine angeborene Fehlstellung hatte, eine sogenannte Hüftdysplasie. "Mein Arzt sagte damals zu mir: 'Die hält ewig, das brauchen Sie nicht kontrollieren zu lassen.'" Das ist jetzt fast 25 Jahre her. Doch in den vergangenen zwei Jahren wurde ihr linkes Bein langsam kürzer. Die sportliche Stadträtin aus Pulheim bei Köln, die so gern Golf und Tennis spielt, griff immer häufiger zu Schmerzmitteln. Ende November des vergangenen Jahres konnte sie keine Treppen mehr steigen, musste das linke Bein nachziehen. Im Januar ging sie zum Orthopäden und im Röntgenbild zeigte sich deutlich, was die Schmerzen verursacht hatte: Die Pfanne ihres künstlichen Hüftgelenkes hatte sich gelockert und war bereits bis ins kleine Becken nach oben gewandert.

"Normalerweise hält eine Endoprothese 15 bis zwanzig Jahre. Dann muss sie gewechselt werden", sagt Prof. Dr. Thorsten Gehrke, Ärztlicher Direktor der Endoklinik, in der pro Jahr 800 Hüftendoprothesen und 400 künstliche Kniegelenke ausgewechselt werden. Die häufigsten Gründe sind beim Hüftgelenk eine Lockerung oder eine Infektion, bei Kniegelenken macht meist eine Instabilität eine solche OP erforderlich. Bei diesen Wechseloperationen müssen die Ärzte zum Teil erhebliche Knochendefekte wieder reparieren. "Wenn die Pfanne im Hüftgelenk sich zu lockern beginnt, bewegt sie sich und schlägt das gesamte Pfannenlager aus. Dann muss man bei der Wechseloperation diese Pfanne wieder herstellen. Das kann man mit Titanschalen machen, mit immer größer werdenden Metallpfannen oder mit einer Rekonstruktion des Knochens. Das ist unsere Stärke", sagt Gehrke. Dafür verwenden die Ärzte in der Endoklinik Fremdknochen, Köpfe der Hüftgelenke, die sie Patienten entnehmen, wenn ihnen das erste Mal eine Hüftendoprothese eingebaut wird. Diese Hüftköpfe werden aufbereitet und als Füllmaterial für den Defekt benutzt. Das Granulat wird mit speziellen Werkzeugen in den Knochendefekt eingestampft. "Man schafft damit wieder eine neue Knochensubstanz, in der man eine neue Hüftpfanne wie bei einem Ersteingriff verankern kann", erklärt der Chirurg. Der Körper reagiert auf diesen Knochen nicht mit einer Abstoßungsreaktion.

Das Füllmaterial dient als Leitschiene für den eigenen Knochen. Er wächst in den toten Knochen hinein und baut sich dort von selbst wieder auf. "Die Knochenchips kombinieren wir mit einem Werkstoff, der in der Raumfahrt schon lange benutzt wird, dem Tantal. Vor vier, fünf Jahren wurde es von den Orthopäden entdeckt. Bei einem großen Knochendefekt füllen wir die Pfanne mit den Knochenchips, decken sie mit dem Tantal ab und setzen dann die neue Hüftpfanne ein", erläutert Gehrke. Wenn der Knochendefekt zu groß ist, bauen die Chirurgen spezielle Titanschalen ein, in die die neue Hüftpfanne hineinzementiert wird. Auch bei Ingrid Stobbe musste ein großer Knochendefekt aufgefüllt werden. Nachdem klar war, dass sie operiert werden musste, machte sie sich kundig und trat die weite Reise in nach Hamburg an. "Wir haben den Knochen aufgefüllt, eine Titanschale in den Knochen eingesetzt und darauf die neue Pfanne befestigt", erklärt Gehrke. Wenn sich der Endoprothesenstiel im Oberschenkelknochen lockert, werden in der Endoklinik die gelockerte Prothese und der Knochenzement entfernt und dieses Knochenrohr wird ebenfalls mit Chips aufgefüllt. Erst dann wird die neue Endoprothese einzementiert.

Wesentlich gefährlicher als eine Lockerung kann es sein, wenn sich das künstliche Gelenk infiziert hat: "Nichts ist schlimmer als infizierte Endoprothesen", sagt Gehrke. Bakterien setzen sich auf das Implantat, vermehren sich dort und bilden einen Biofilm auf dem Fremdkörper. Dieser Schleim bildet eine Schutzhülle, die keine Antibiotika und keine Abwehrzellen des Immunsystems durchlässt. Deswegen kann man diese Infektionen nicht mit Antibiotika behandeln, sondern muss das gesamte infizierte Gewebe operativ entfernen. "95 Prozent aller Krankenhäuser nehmen dann einen zweizeitigen Wechsel vor", sagt Gehrke. Das heißt, in der ersten Operation wird die infizierte Prothese entnommen und das Gewebe gesäubert. Dann müssen die Patienten ohne Prothese zwei bis drei Monate liegen, und wenn die Infektion abgeklungen ist, wird eine neue Prothese eingesetzt. "Wir machen alles in einer Operation. Die Endoprothese wird entfernt und das Gewebe gesäubert. Dann setzen wir ein neues Gelenk ein und zementieren es in den Knochen ein. Den Knochenzement mischen wir mit einem Antibiotikum, das genau gegen das Bakterium wirksam ist, das die Infektion verursacht hat", erklärt der Chirurg. 400 solcher Operationen führen die Chirurgen pro Jahr in der Endoklinik durch, mit einer Erfolgsquote von 90 Prozent.

Wenn keine Komplikationen auftreten, kann der Patient drei bis vier Tage nach einer solchen OP wieder aufstehen. Insgesamt muss er 14 bis 15 Tage in der Klinik bleiben. Bei Wechseln ohne Infektion sind die Patienten schon am zweiten Tag nach dem Eingriff wieder auf den Beinen und bleiben insgesamt zehn bis zwölf Tage im Krankenhaus.

Ingrid Stobbe hat den Eingriff gut überstanden. Mithilfe von Unterarmgehstützen kann sie schon wieder ohne Schmerzen laufen. In wenigen Tagen wird sie aus der Endoklinik in die Reha-Behandlung entlassen, die noch einmal drei Wochen dauert. Mit dem Tennisspielen muss sie sich allerdings noch etwas gedulden. "Etwa ein halbes Jahr nach dem Endoprothesenwechsel kann sie damit wieder beginnen, allerdings in gemäßigter Form", sagt Gehrke.