Satellit TerraSAR-X aus Deutschland erkennt defekte Brücken und unpassierbare Straßen - etwa nach Erdbeben.

Man schrieb das Jahr 1802. Ausgerüstet mit Sextant, Kompass und Taschenchronometer kämpfte sich ein junger Naturforscher aus Berlin durch den südamerikanischen Urwald. Auf seinen heute legendären Expeditionen wollte Alexander von Humboldt, der spätere Mitbegründer der Geografie, die Welt vermessen.

Humboldts moderner Nachfolger stammt ebenfalls aus Deutschland. Er wiegt 1,3 Tonnen und fliegt rund 514 Kilometer über der Erdoberfläche. Mit 27 360 km/h schießt der Satellit TerraSAR-X auf seiner polaren Umlaufbahn um den Erdball, 15-mal am Tag, etwa 90 Minuten dauert eine Umrundung. Anhand der Aufnahmen des deutschen Fernerkundungssatelliten können Forscher die Vegetation auf der Erde beurteilen und Fischbestände in den Ozeanen ausmachen.

Neuerdings hilft das Himmelsauge auch bei Naturkatastrophen. Hilfsorganisationen nutzen seine Aufnahmen in Haiti, sogar Überflutungsflächen erkennt und überwacht der TerraSAR-X. Mit neuer Technik soll der Satellit die Welt jetzt auf bisher unbekannte Art vermessen.

"Demnächst wird der Flugkörper mit einem nahezu baugleichen Satelliten im Tandem-Flug unterwegs sein. Das eröffnet neue Möglichkeiten", sagt Hendrik Zwenzner. Der Geograf ist im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen bei München auf die Auswertung der Daten spezialisiert.

Von der Katastrophenhilfe zu erzählen weiß die Geoinformatikerin und Kartografin Christine Radestock, die im Zentrum für satellitengestützte Kriseninformation des DLR arbeitet.

Als in Haiti Anfang Januar die Erde bebte, saß die 29-Jährige stundenlang vor dem Bildschirm, auf dem im Sekundentakt Satellitenbilder aus der Krisenregion flimmerten. "Dann zählt jede Minute, wir müssen ein Team aus Spezialisten zusammenstellen, das die Daten auswertet."

Unter Hochdruck prüften die Experten akribisch die Aufnahmen, markierten am Computer zerstörte Brücken und unpassierbare Straßen. Die Karten mussten schnell ausgedruckt, laminiert und zu den Hilfsorganisationen geschickt werden, so an das Rote Kreuz, das sie zur Orientierung nutzt.

Möglich macht das die hochentwickelte Radar-Technik des 130 Millionen teuren TerraSAR-X. "SAR, diese Abkürzung steht für das Synthetic Aperture Radar, das Herzstück unseres Systems", erklärt der Satelliten-Fachmann Hendrik Zwenzner.

Das Grundprinzip ähnelt klassischen Radarsystemen in der Schifffahrt. Objekte werden anhand der sogenannten Laufzeitmessung mittels reflektierter Signale erkannt: Der Flugkörper sendet dazu ein sogenanntes Primärsignal - gebündelte elektromagnetische Wellen - zur Erde, das auf der Oberfläche reflektiert und als Echo (Sekundärsignal) erneut von den Antennen im Orbit erfasst wird. Aufgrund der Reflexionseigenschaften am Boden und der Laufzeit der Radarstrahlen machen sich die Wissenschaftler ein Bild, wie es auf der Erde aussieht. "Ein Gebirge erkennen wir daran, dass die Strahlen, die auf einen hohen Berg treffen, eine kürzere Laufzeit haben als diejenigen, die bis in die Talsohle vordringen und somit charakteristische geometrische Effekte hervorrufen", erläutert der Fachmann. Glatte Flächen, insbesondere Wasser, erscheinen im Radarbild dunkel, Vegetation und Gebäudewerden hell dargestellt, da sie die Mikrostrahlen anders reflektieren. Ältere Modelle haben den Nachteil, dass die Satelliten stark von ihrer Position im Orbit abhängig sind, weil ihre Antennen nur in einem festen Winkel auf die Erde strahlen können. Außerdem beschränken sie sich auf eine einzelne Momentaufnahme.

Die Zauberformel des TerraSAR-X, den das DLR mit dem europäischen Raumfahrtkonzern EADS entwickelte, lässt sich in wenigen Worten zusammenfassen: Beweglichkeit und Aufnahmen im Akkord. "Mit der synthetischen Antennentechnik, - der SAR -, und ihren dreh- und schwenkbaren Antennen können wir viele einzelne Bilder aus verschiedenen Perspektiven aufnehmen", so Zwenzner. Die Mikrowellenstrahlen können senkrecht zur Flugrichtung in einem Schwenkbereich zwischen 20 und 60 Grad elektrisch verstellt werden. "Die Aufnahmen werden detaillierter und es lassen sich auf der Flugbahn mehr Ziele anpeilen als mit einem statischen Einfallswinkel."

Neben der flexiblen Ausrichtung, mit der jeder Ort auf der Erde innerhalb von zwei Tagen beobachtet werden kann, weist der TerraSAR-X weitere Innovationen auf. "Mit einer Art Zoom können wir größere Gebiete mit geringerer Auflösung oder kleinere Gebiete mit einer größeren Detailschärfe darstellen", so Zwenzner.

Drei Aufnahmemodi stehen zur Verfügung. Mit einer Auflösung von einem Meter je Bildpunkt können sogar einzelne Stadtteile dargestellt werden (Szenengröße: 10 km breit, 5 km lang). Für Aufnahmen größerer Flächen mit einer Streifenbreite von 100 Kilometern wechseln die Forscher in den "ScanSAR-Modus" mit 16 Meter Auflösung, der einen Gesamtüberblick schafft.

"Der Vorteil des TerraSAR-X, gerade gegenüber optischen Sensoren, ist, dass wir unabhängig vom Beleuchtungs- und Wetterverhältnissen sind", sagt der DLR-Wissenschaftler. Die Mikrowellen der X-Band-Frequenz haben eine Länge im Zentimeter-Bereich (im Vergleich: Lichtstrahlen bewegen sich im Nanometer-Bereich) und durchstoßen mühelos Wolken, Nebel oder Trübungen der Atmosphäre. Auch bei Nacht kann TerraSAR-X Bilder aufnehmen, da er die Landschaft selbst bestrahlt. "Die Qualität der Aufnahmen bleibt konstant hoch."

Im Mai wird der Zwillingssatellit TanDEM-X zum Parallelflug starten. Dann sind erstmals dreidimensionale Bilder möglich. Bereits nach drei Jahren soll das Mammut-Projekt, das 150 Millionen Quadratkilometer erfasst, abgeschlossen sein.