Hamburg. Manchen bricht schon der Angstschweiß aus, wenn sie den Flughafen betreten, andere werden erst nervös, wenn sie in der Maschine Platz genommen haben. Bei Menschen, die wie HSV-Stürmer Paolo Guerrero unter starker Flugangst leiden, reagiert ihr Körper dann so, als ob er eine bedrohliche Situation bewältigen müsste. "Es wird Adrenalin ausgeschüttet. Dadurch steigt die Herzfrequenz, die Atmung beschleunigt sich und es ist nicht mehr möglich, die Betroffenen von ihrer Angst abzulenken, sie werden regelrecht von Panik überflutet", sagt Prof. Michael Sadre Chirazi-Stark, Chefarzt der Psychiatrie im Asklepios-Westklinikum in Rissen.

Was diesen Menschen am meisten Angst macht, ist weniger ein möglicher Absturz des Flugzeugs, sondern vor allen Dingen, dass sie die Situation in der Luft nicht kontrollieren können, nicht jederzeit aussteigen können. "Deswegen hat man auch noch die Fenster in den Flugzeugen. Dass die Fluggäste hinausschauen können, mildert ihr Gefühl des Ausgeliefertseins etwas ab", sagt der Psychiater. Es gebe zwar auch Menschen, die vor dem Zugfahren Angst hätten, aber dabei gebe es immer noch die Möglichkeit, die Notbremse zu ziehen.

Besonders anfällig für Flugangst sind Menschen, die schon von Haus aus ängstlich sind. Auch wer aufgrund einer genetischen Veranlagung besonders schnell und spontan auf Außenreize reagiert, entwickelt eher eine Flugangst. Zudem kann dahinter eine tiefer greifende generelle Angststörung stecken, die auch andere Bereiche der Persönlichkeit betrifft.

Eine Psychotherapie kann helfen, die Angst vorm Fliegen zu überwinden, "Dabei lernen die Patienten Entspannungstechniken, die es ihnen möglich machen, ihre Angst im Flugzeug zu kontrollieren. Am besten hilft die Muskelentspannung nach Jacobsson", erklärt Sadre Chirazi-Stark. Dabei werden Muskelgruppen gezielt angespannt und entspannt. Die Patienten können das Fliegen auch trainieren, zum Beispiel im Flugsimulator oder mithilfe von Computersimulation und Videobrille. Der Therapeut sitzt dann neben dem Patienten, um ihm Rückendeckung zu geben und bei aufkommender Angst die Atemtechnik zur Entspannung einzuleiten. Er bleibt so lange beim Patienten, bis die Angst abflaut. "Damit ist der Automatismus der Angst unterbrochen, die ja meist nicht aufgrund eines realen Erlebnisses, sondern aus einer reinen Befürchtung heraus entsteht", sagt Sadre Chirazi-Stark. Zudem lernen die Patienten, wie ein Flugzeug funktioniert. Auch dieses Wissen mildert das Gefühl des Ausgeliefertseins ab.

Der Umfang der Therapie ist unterschiedlich. Bei einigen reicht schon die Erklärung der Sicherheitsmaßnahmen aus, bei anderen ist die Angst so groß, dass keine Psychotherapie dagegen ankommt. Dann hilft nur noch eins: das Flugzeug meiden. Da nützt auch eine Behandlung mit Beruhigungsmitteln wenig. "Mit der Zeit braucht man immer höhere Dosierungen, um die Angst in den Griff zu bekommen", sagt der Psychiater.