Spanische Geoforscher entdeckten die Spuren der gewaltigen Flut auf dem Grund der Meerenge zwischen Europa und Afrika.

Unvorstellbar ist die gewaltige Flut, die vor 5,33 Millionen Jahren monatelang vom Atlantik durch die Straße von Gibraltar schoss: die Geburtsstunde des Mittelmeeres. Mit einer Milliarde Kubikmeter floss damals in jeder Sekunde der Inhalt von mehr als fünf Milliarden Badewannen Wasser mit einem Tempo von mehr als 140 Kilometern in der Stunde an dem Felsen vorbei, auf dem heute die berühmten Affen der britischen Kronkolonie turnen.

Das ist weit mehr als die fünfhundertfache Wassermenge, die heute der Amazonas als größter Strom der Erde in der gleichen Zeit ins Meer schickt. Die Spuren der Flutwelle fanden Daniel Garcia-Castellanos vom Institut für Geoforschung, Jaume Almera in Barcelona und seine Kollegen tief unter dem Meeresboden der Straße von Gibraltar (Nature, Band 462).

Ebenfalls kaum vorstellbar: Der ganze Vorgang dauerte nur wenige Monate bis höchstens zwei Jahre. Dann hatte sich der Wasserstand angeglichen und die Strömungen des Meeres füllten die einstige Schlucht bis oben hin mit Material auf.

Erst kommerzielle Probebohrungen deckten die Spuren dieses riesigen Stromes auf. Vermutet hatten Geoforscher eine solche Sturzflut bereits, als sie die Spuren einstiger Schluchten entdeckten, die vor rund 5,6 Millionen Jahren die Rhone rund tausend Meter und der Nil bis zu 2500 Meter unter dem heutigen Meeresspiegel in den Grund des Mittelmeeres gegraben hatten. Ein ähnliches Alter haben auch die Reste einstiger Algenmatten, die das Forschungsschiff "Glomar Challenger" im 3255 Meter tiefen Balearen-Becken in der Nähe von Mallorca tief unter dem heutigen Meeresboden entdeckte. Diese Algen wuchsen damals genau dort in den Gezeitenzonen eines tropischen Meeres, wo die Bohrungen sie im Sommer 1970 fanden. Damals lag der Spiegel des Mittelmeeres also gut 3000 Meter niedriger als heute.

Onno Oncken vom Deutschen GeoforschungsZentrum (GFZ) in Potsdam erklärt die Vorgänge im Erdinneren, die einst so viel Wasser verschwinden ließen: "Damals wie heute bewegen sich an der Straße von Gibraltar zwei Erdplatten seitlich aneinander vorbei." Reibungslos funktioniert das allerdings nicht. Die Verschiebung löst vielmehr manchmal Erdbeben und Tsunamis aus. Und sie türmt einen gewaltigen Gebirgszug auf, der sich wie ein liegendes "U" entlang der spanischen Mittelmeerküste quer über die Straße von Gibraltar und dann entlang der afrikanischen Mittelmeerküste zieht. Vor 5,6 Millionen Jahren wurde dann der meist unter dem Meeresspiegel liegende Bogen dieses "U" über den damaligen Wasserstand des Atlantiks gehoben. Dadurch war das Mittelmeer vom Rest der Weltmeere abgeschnitten, der Felsen von Gibraltar ist ein Rest dieses einstigen Dammes.

Da aus dem Mittelmeer damals wie heute mehr Wasser verdunstet, als die Flüsse nachliefern, trocknete es wohl im Laufe etlicher Jahrtausende weitgehend aus. An seinem Grund lagerten sich damals mächtige Gips- und Salzschichten ab, während in den tiefsten Stellen noch immer das Wasser stand und Algen wuchsen. Nach höchstens 300 000 Jahren aber senkten die Verschiebungen im Erdinneren den Damm zwischen dem Atlantik und der riesigen Salzpfanne wieder ab, in die sich das Mittelmeer verwandelt hatte. "Damals lag auch der Meeresspiegel im Atlantik deutlich höher als heute", erklärt GFZ-Forscher Onno Oncken weiter. Bald strömte daher wieder Wasser in Richtung Mittelmeer.

Mit Computermodellen berechnen Daniel Garcia-Castellanos und seine Kollegen, was danach passierte. Anfangs war der Kanal zwischen Atlantik und Mittelmeer wohl kaum mehr als einen Meter tief. Einige Jahrtausende lang strömte das Wasser relativ langsam über diese Schwelle, nur allmählich füllten sich die tiefsten Stellen des trockengefallenen Mittelmeers wieder mit Wasser. Mit der Zeit aber schürfte das fließende Wasser den Kanal tiefer aus. Jetzt floss mehr Wasser deutlich schneller als vorher nach Osten und vertiefte die heutige Straße von Gibraltar immer mehr.

Diese positive Rückkopplung ließ schließlich jede Sekunde eine Milliarde Kubikmeter Wasser über eine schräge Rampe vom Atlantik zum Mittelmeer schießen, die an der schmalsten Stelle gerade einmal sechs Kilometer breit war. Jeden Tag wurde dieser Kanal 40 Zentimeter tiefer, am Ende hatte das strudelnde Wasserinferno so einen 240 Meter tiefen Kanal ausgeschürft.