Das Matrixmuster erobert den Alltag - auf Visiten- und Fahrkarten, Briefe, Plakate, Zeitschriften oder Sehenswürdigkeiten.

"Piep, piep, piep": So quittieren nimmermüde Scannerkassen in Supermärkten und Geschäften Produkte, die sie erkannt haben. Barcodes machen es möglich. Doch die Abfolge dicker und dünner Balken ist ein Relikt aus den 70er-Jahren. Inzwischen tauchen immer mehr quadratische Codes mit einer Matrix aus Würfelchen im Alltag auf: Waren, Ersatzteile, Briefe, Plakate, Zeitschriften oder die Bahnfahrkarte - nichts scheint mehr vor den sogenannten 2D-Codes sicher zu sein. Denn in solchen Rastern lassen sich im Gegensatz zu Strichcodes umfangreiche Informationen wie Text oder Internetadressen speichern.

Ein Kamerahandy genügt, um 2D-Codes auszulesen. Auf mehrere Tausend Zeichen Speicherkapazität bringt es ein waagerecht und senkrecht codiertes 2D-Muster. Eindimensionale Strichcodes schaffen in der Regel nur eine Produktnummer. Der Fantasie für 2D-Code-Anwendungen sind dabei keine Grenzen gesetzt. Neben Links auf Internetseiten, Downloads, Geoinformationen oder Social-Network-Profilen ist es zum Beispiel interessant, einen Code mit den eigenen Kontaktdaten auf seine Visitenkarte zu drucken. Das spart unterwegs Tipparbeit auf der Handytastatur. Berufene mit ein wenig Spieltrieb können auch eigene Texte in 2D-Codes bannen und diese dann digital auf Internetseiten oder physisch als Flugblatt oder Aufkleber verteilen.

Das in New York gegründete Non-Profit-Projekt Semapedia hat sich zum Ziel gesetzt, mittels 2D-Codes die virtuelle Wissenswelt der Online-Enzyklopädie Wikipedia mit Gegenständen und Orten zu verknüpfen. Auf der Seite lassen sich aus Wikipedia-URLs 2D-Codes generieren und ausdrucken. "Nach dem Erstellen bringst du die Tags an ihrem zugehörigen Ort in der realen Welt an", erklären die Macher. Wer dann beispielsweise an der Loreley einen solchen 2D-Code-Aufkleber findet und mit seinem Handy ausliest, ruft den entsprechenden, für mobile Geräte optimierten Wikipedia-Eintrag ab und liest sich über die Sage der gefährlich schönen Nixe am Rhein schlau.

Auch zur Sicherheit im Internet können 2D-Codes beitragen. An der Universität Tübingen haben Informatiker ein Abfrageverfahren für PINs und TANs entwickelt, das es Trojanern unmöglich machen soll, die geheimen Codes abzufangen. Dazu wird vor der Eingabe der PIN oder TAN ein verschlüsselter 2D-Code auf den Computer-Bildschirm geschickt, den der Nutzer nur mit seinem Kamerahandy und einer speziellen Software auslesen kann. Auf dem Handy-Display erscheint dann das Bild eines Tastenfelds, auf dem die zehn Ziffern immer anders angeordnet sind. Auf dem Eingabefeld der Internetseite erscheint nur ein Tastenfeld ohne Ziffern. Durch die Vorlage im Handy-Display weiß der Nutzer, mit welcher Ziffer welches Feld gerade belegt ist. Der Server, der den Code geschickt hat, weiß es auch; ein Trojaner könnte ihn aber nicht interpretieren.

Der dienstälteste 2D-Code heißt DataMatrix. Seit 1989 setzen ihn Industrie und Handel in der Logistik ein. Die Post nutzt das Format bei ihrer Online-Frankierung zum Selberdrucken. Ebenso frei verfügbar ist der Aztec-Code, den die Bahnen in Deutschland, der Schweiz und Österreich nutzen, damit Schaffner ausgedruckte Online-Tickets verifizieren können. Es gibt auch zahlreiche kommerzielle 2D-Codes wie BeeTagg oder Shotcode, die eher in der Werbewelt zu Hause sind.

Die japanische Industrie hat 1994 einen eigenen 2D-Code entwickelt, der die im Japanischen verwendeten Kanji- und Kana-Zeichen unterstützt. In Nippon hat sich der lizenzfreie QR-Code längst auf breiter Front durchgesetzt. Die Einwanderungsbehörde versieht ihre Visa damit, Marketing-Strategen senden die Codes auf Werbe-Großleinwände und bedrucken Produkte, um den Konsumenten Werbebotschaften und Produktinformationen aufs Handy zu senden oder sie auf eine Internetseite zu leiten.

Auch hierzulande finden sich 2D-Codes, die in Zeitungen auf weiterführende Internetangebote verweisen oder in Zeitschriften und auf Plakaten interaktive Werbung ermöglichen. Allerdings kommen dabei die verschiedensten Code-Formate zum Einsatz (siehe Beitext).

Die Entwicklung der Codes ist noch längst nicht abgeschlossen. An der Bauhaus-Universität Weimar beschäftigen sich Wissenschaftler mit einer Erweiterung der schwarz-weißen Codes um die Dimensionen Farbe und Zeit. So entstehen 4D-Codes, deren Speicherkapazität noch einmal enorm zunimmt. "Mit der entwickelten Software kann ein Benutzer mit seinem Handy eine kurze Animationssequenz von farbigen Barcodes abfilmen und die darin enthaltenen Daten decodieren", heißt es beim Forschungsbereich Augmented Reality. Ihre Erfindung können sich die Forscher unter anderem auf großen elektronischen Werbetafeln und Displays, Kinoleinwänden oder LCD-Displays in Zügen und Flugzeugen vorstellen.