Das Tückische an dieser Drüse: Sie löst höchst unterschiedliche Krankheitssymptome aus: Müdigkeit oder Unruhe, Gewichtszu- oder abnahme. Je nachdem, ob eine Unter- oder Überfunktion vorliegt.

"Kleine Drüse mit großer Wirkung". Die Schilddrüse wiegt nur etwa 25 Gramm. Aber sie bildet wichtige Hormone, die aus Jod und Aminosäuren hergestellt werden. Wenn das kleine Organ an unserem Hals nicht funktioniert, verrät es das nur schwer. Denn die Betroffenen leiden oft unter allgemeinen Beschwerden, die auch bei anderen Erkrankungen auftreten. Darüber, wie man solche Erkrankungen erkennt und wie sie behandelt werden, informierten Experten beim 79. Hamburger Gesundheitsforum von Hamburger Abendblatt und NDR 90,3 in der Schön-Klinik Hamburg-Eilbek. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Welche Erkrankungen der Schilddrüse gibt es?

Es gibt Entzündungen der Schilddrüse, die selten durch Bakterien hervorgerufen werden, eher durch sogenannte Autoimmunprozesse. Dabei richtet sich die Abwehr gegen Körpergewebe, zum Beispiel die Schilddrüse. Dann gibt es den Schilddrüsenkrebs und Knotenbildung in der Schilddrüse. Ein weiterer Bereich sind Störungen der Funktion wie die Über- und die Unterfunktion, die unabhängig sind von der Tatsache, ob Knoten vorhanden sind oder nicht.

Prof. Jochen Kußmann, Chefarzt des Endokrinen Zentrums, Schön-Klinik Hamburg-Eilbek

Welche Lebensführung hält die Schilddrüse gesund?

Wichtig ist ein gesunder Lebensstil mit gesunder Ernährung und regelmäßiger Bewegung. Zu einer gesunden Ernährung gehört, drei Hände voll Gemüse am Tag zu essen. Das schaffen nach meinen Erfahrungen viele nicht. Dann fehlen uns Vitamine und Mineralstoffe, was unter anderem auch dazu führen kann, dass wir uns müde und schlapp fühlen. Ein Tipp zur gesunden Lebensführung: Eine Portion Gemüse zum Mittagessen, die zweite in Form von Möhren und die dritte könnte ein gemixter Gemüsesaft sein.

Sandra Rose-Fröhlich, Ernährungsberaterin, Schön Klinik Hamburg-Eilbek

Welche Beschwerden weisen auf Über- oder Unterfunktion hin?

Typisch für eine Unterfunktion ist, dass man müde ist, an Gewicht zunimmt, sich nicht konzentrieren kann und die Leistungsfähigkeit nachlässt. Auch Depressionen können eine Folge sein. Bei der Überfunktion sind es innere Unruhe, Nervosität, Gewichtsabnahme und das Gefühl, dass ein Teil der Energie immer verbrennt, dass man nachmittags schon erschöpft ist, obwohl man morgens frisch aufgestanden ist. Es kann dabei auch zu Herzrasen und Osteoporose kommen. Egal welche Beschwerden Sie haben, Sie können auch von der Schilddrüse kommen. Das macht die Schilddrüse ein wenig zum Chamäleon.

Privatdozent Dr. Onno Janßen, Endokrinologikum

Wie erkennt man Schilddrüsenerkrankungen?

Zunächst macht man eine Ultraschalluntersuchung. Das ist immer noch das beste Verfahren, um die Schilddrüse anzugucken. Wenn man im Ultraschall eine normale Schilddrüse sieht, weiß man, dass in über 90 Prozent auch eine normale Schilddrüsenfunktion vorliegt. Der zweite Schritt ist das Labor. Man untersucht die zwei Schilddrüsenhormone und das Steuerhormon der Hypophyse, das TSH. Entzündungsprozesse geben sich durch die Erhöhung von spezifischen Antikörpern im Blut zu erkennen. Der dritte Schritt ist die Szintigrafie. Sie zeigt, wie die Schilddrüse funktioniert. Klassisches Beispiel ist der Schilddrüsenknoten. Diese Knoten unterscheiden wir in kalte Knoten, die im Szintigramm gar nicht arbeiten, und heiße Knoten, die zu viel Hormone bilden. Eine ergänzende Untersuchung ist die Punktion eines Knotens, wenn der Verdacht auf einen Schilddrüsenkrebs im Raum steht.

Dr. Dirk Buhmann, Facharzt für Radiologie und Nuklearmedizin, Radiologische Allianz Speersort

Was passiert bei einer Szintigrafie?

Das ist eine Untersuchung mit einer schwach radioaktiven Substanz, die wir in die Vene einspritzen. Die Strahlenmenge ist sehr gering, etwa so viel, als würde man Ihre Hand einmal röntgen. Die injizierte Substanz verhält sich im Körper wie Jod, ein wesentlicher Bestandteil der Schilddrüsenhormone. Die Substanz wandert wie das Jod in die Schilddrüse, wird dort aber nicht eingebaut. Etwa zwanzig Minuten nach der Injektion wird eine Aufnahme der Schilddrüse gemacht.

Dr. Buhmann

Wann muss operiert werden?

Das hängt von verschiedenen Faktoren ab. Wenn eine Schilddrüse so groß ist, dass sie mechanische Probleme macht, ist das ein Grund zu operieren, oder wenn sie in den oberen Brustkorbbereich hineinwächst. Ein Krebsverdacht ist ein weiterer Grund, der Patienten häufig zu uns zur Operation führt.

Barbara Wojciechowski, Ärztin im Endokrinen Zentrum, Schön-Klinik Hamburg-Eilbek

Was kann eine Radiojodtherapie bewirken?

Diese Therapie kann eine Alternative zur Operation sein. Sie beruht darauf, dass radioaktives Jod als Kapsel eingenommen wird. Das ist ein Strahler mit etwa drei Millimetern Reichweite im Gewebe. Dieses Jod wird in den überfunktionierenden Anteil der Schilddrüse transportiert und zerstrahlt das überfunktionierende Gewebe. Das muss in Deutschland unter Strahlenschutzbedingungen gemacht werden, das heißt in einer speziellen Therapiestation, die Sie während der Therapie nicht verlassen können und auf der Sie auch keinen Besuch empfangen dürfen. Die vorgeschriebene Mindestaufenthaltsdauer sind 48 Stunden. Das ist eine Therapie, die zum Beispiel bei einem heißen Knoten eingesetzt wird, die aber auch zur Anwendung kommt bei Überfunktionen, die die ganze Schilddrüse betreffen.

Dr. Buhmann

Kann sich eine Unterfunktion auf einen Diabetes auswirken?

Eine Unterfunktion senkt den Blutzucker und eine Überfunktion erhöht den Blutzucker. Sie müssen aber eine ausgeprägte Funktionsstörung der Schilddrüse haben, bis Sie nachweislich Veränderungen am Blutzucker feststellen. Wenn Patienten mit einem Alterdiabetes eine ausgeprägte Überfunktion haben, dann ist auch die Einstellung dieses Blutzuckers viel schwieriger und Sie brauchen zum Beispiel mehr Insulin.

Dr. Janßen

Was ist eine Hashimoto-Thyreoiditis?

Die Erkrankung ist nach einem japanischen Forscher benannt. Der typische Ablauf dieser Autoimmunerkrankung: Am Anfang entsteht eine akute Entzündung, die häufig nicht erkannt wird, es kann eine leichte Überfunktion bestehen, die Schilddrüse wird ein bisschen größer, im weiteren Verlauf wird sie wieder kleiner. Sie kann so klein werden, dass sie nicht mehr genug Schilddrüsenhormon produziert. Die Standardtherapie besteht im Ersatz des Schilddrüsenhormons Thyroxin.

Dr. Janßen

Wann ist eine Gewebeentnahme aus der Schilddrüse sinnvoll? Eine Biopsie von Schilddrüsenknoten ist sinnvoll, wenn der Verdacht besteht, dass sie bösartig sind.

Dafür gibt es einige Kriterien, zum Beispiel der rasch wachsende Knoten oder einer, der sich sehr derb anfühlt, oder ein Knoten, der bei einer Ultraschalluntersuchung ein bestimmtes Bild bietet. Solche Knoten sollte man punktieren.

Prof. Kußmann

Muss stets die ganze Schilddrüse entfernt werden?

Es kommt auf die Schilddrüsenerkrankung an. Heute gibt es nur noch zwei Operationen: entweder die Entfernung eines Schilddrüsenlappens oder die Entfernung der ganzen Schilddrüse. Wenn Sie auf beiden Seiten in der Schilddrüse Knoten haben, zum Beispiel überfunktionierende Knoten rechts und links, dann macht es nur Sinn, die ganze Schilddrüse zu entfernen.

Prof. Kußmann