Den meisten Bürgern sowohl in den reichen Industrieländern als auch in den armen Entwicklungsländern ist nicht bekannt, warum die 15. Vertragsstaatenkonferenz der Rahmenkonvention der Vereinten Nationen über Klimaänderungen, kurz der Weltklimagipfel in Kopenhagen, im Dezember 2009 über das Schicksal ihrer Kinder und noch mehr der Enkel entscheidet.

Nur eine global koordinierte stringente Klimaschutzpolitik in den kommenden wenigen Jahrzehnten kann wahrscheinlich noch verhindern, dass z. B. das Inlandeis in Grönland in den kommenden Jahrhunderten wesentlich abschmilzt und die Dürregebiete noch weiter austrocknen und dadurch Millionen von Menschen zur Flucht zwingen.

Wenn wir weiter Kohlekraftwerke bauen sowie Benzin- und Dieselfahrzeuge nutzen, verbrennen wir buchstäblich die Zukunft vieler Menschen. Denn das dabei entweichende Kohlendioxid bleibt etwa zur Hälfte über Jahrhunderte in der Atmosphäre und häuft sich weiter an, erwärmt die untere Atmosphäre und die Erdoberfläche sowie langsam auch das Innere des Ozeans. Die volle Erwärmung ist erst nach Jahrhunderten erreicht, und der Meeresspiegel steigt über weitere Jahrhunderte an. Ein derartiges Langzeitproblem hat die Menschheit noch nie lösen müssen, das heißt auch: Unsere bisherigen politischen Entscheidungsstrukturen sind daran noch längst nicht angepasst.

Bisher geht jedes Land anders mit diesen externen Effekten der Energieversorgung um. Fast alle fördern die Klimaerwärmung sogar durch Verbilligung aller oder einzelner fossiler Brennstoffe - sie halsen die Umweltfolgen den nachkommenden Generationen oder der Allgemeinheit und nicht den Verursachern auf. Schätzungsweise 300 Milliarden Euro machen diese direkten oder indirekten Vergünstigungen weltweit jedes Jahr aus.

Kaum ein Mensch muss zahlen für die Emission von Schadstoffen, zum Beispiel den krank machenden Dieselruß, und der zaghafte europaweite Emissionshandel für Kohlendioxid ist weit von einer echten Einrechnung externer Effekte entfernt. Das Umweltbundesamt rechnete 2007 vor, dass die Kilowattstunde Strom aus einem Steinkohlekraftwerk sieben Eurocent bei Beachtung aller Umweltkosten mehr kosten müsste (8,9 bei Braunkohle), also schon heute Windstrom mit einer Einspeisevergütung von 8,5 Eurocent billiger wäre.

Dennoch sprechen die großen Stromversorger weiterhin von der Subvention erneuerbarer Energieträger, und die meisten Bürger plappern es nach. Die großen vier wären für mich nur dann als Versorger überhaupt wählbar, wenn ihr Portfolio einen höheren Anteil von erneuerbaren Energieträgern enthielte als der Bundesdurchschnitt.

Was muss nun ins Kopenhagen-Protokoll? Erstens eine stärkere Emissionsminderung für alle Industrieländer bis 2020 um durchschnittlich mindestens 25 Prozent, gemessen am Ausstoß von 1990.

Zweitens die Integration der Schwellenländer in erste Minderungsmaßnahmen. Ihre finanziellen Anstrengungen müssen zum Teil kompensiert werden, mit Geld aus dem globalen Emissionshandel der Industrieländer. Drittens finanzielle Hilfe der Industrieländer bei Anpassungsmaßnahmen an die Klimaänderungen in den besonders betroffenen Entwicklungsländern.

All das war bereits in der Absichtserklärung der 13. Vertragsstaatenkonferenz auf Bali enthalten. Doch jetzt zaudern wieder einige Länder, z. B. die USA, weil auch der neue Präsident von noch uneinsichtigen Bürgern und Abgeordneten gebremst wird.

Viertens möchte ich eine Festlegung auf das Fernziel globale Emissionsgerechtigkeit: Anerkennung des gleichen Rechts auf Emission für jeden Menschen und damit weit stärkere Emissionsreduktion für die starken Emitter als Voraussetzung für einen weltweiten Emissionshandel. Dann wären Emissionen nicht länger kostenneutral, der Umbau des Energieversorgungssystems in ein nachhaltiges würde beschleunigt.

Wir bräuchten dann nur etwa ein Fünftausendstel des Energieangebots der Sonne; jedes Land hätte den Hauptteil des Energierohstoffs (Sonne, Wind, Wasser) bei sich zu Hause. Die mit der Bereitstellung von Öl und Gas verbundenen Konflikte gehörten der Vergangenheit an. Aber selbst wenn das gelänge, hätte die kommende Generation die Last zu tragen - weil wir den vergleichsweise geringen Aufwand des Umbaus nicht rechtzeitig auf uns nahmen.

Wenn bei dem Klimagipfel in Kopenhagen fast nichts zustande kommt steigt die Wahrscheinlichkeit rasch, dass im 22. Jahrhundert viele Multimillionenstädte an den nur schwach geschützten Küsten weiter versinken. Schon vorher werden Millionen Flüchtlinge aus Wasserstressgebieten in die Industrieländer drängen.

Prof. Dr. Hartmut Graßl (69) war Chef-Klima- tologe der Uno und Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg.