Experten aus drei Disziplinen bieten ihre Unterstützung an, damit die Kinder ihren eigenen Weg finden.

"Lasst ihr euch jetzt scheiden?" - eine bange Frage von Kindern, wenn sie miterleben, dass Eltern immer häufiger und immer heftiger in Streit geraten. Kommt es tatsächlich zu einer Trennung, bricht für viele Kinder eine Welt zusammen. "Unter allen äußeren Einflüssen, denen Kinder ausgesetzt sind, ist eine Scheidung der höchste Risikofaktor, dass sie psychisch auffällig werden. Es können alle möglichen Symptome auftreten, zum Beispiel Leistungsabfall in der Schule, Schlafstörungen, Angstsymptome, Aggressivität, Einnässen oder Depressionen", sagt Prof. Michael Schulte-Markwort, Direktor der Kinder- und Jugendpsychosomatik am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE). Fast 200 000 Ehen werden pro Jahr geschieden. Nahezu die Hälfte davon sind Familien mit minderjährigen Kindern. Im Jahr 2007 waren es 145 000 Kinder, die mit dieser einschneidenden Veränderung ihres Lebens konfrontiert wurden.

Um Kindern und Eltern in diesen Situationen zu helfen, hat er mit der Familienanwältin Ulrike Kruschel-Domizlaff und der Mediatorin Heike Ingwersen-Herrmann jetzt eine neue Kooperation ins Leben gerufen, das Zentrum für interdisziplinäre Familienkonzepte (ZIF). "Der neue Ansatz ist, dass diese drei Disziplinen Kinderpsychiater, Rechtsanwalt und Mediatorin die potenziellen Problemfelder rund um die Scheidung abdecken sollen. Eine Trennung mit Kindern kann spezifische Auswirkungen haben und je nachdem, auf welcher Ebene sie sich abspielen, können wir dann festlegen, wer der erste Ansprechpartner sein soll, und schnell die erforderliche Hilfe leisten", erklärt Kruschel-Domizlaff. In ihrer täglichen Arbeit betreut sie viele Mandanten, die vor einer Trennung stehen und Kinder haben, oder die schon in Trennung leben und bei deren Kindern bereits psychosomatische Symptome aufgetreten sind. "Es hat sich auch gezeigt, wie sehr Eltern damit überfordert sind, die richtige Vorgehensweise einzuschlagen, und wie sehr sie diese Belastung unterschätzen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sie dieses ergänzende Beratungsangebot extrem gerne angenommen haben", sagt die Anwältin.

Ziel des ZIF ist immer, eine einvernehmliche Lösung für alle Beteiligten zu erreichen. Denn auch wenn ein Paar sich trennt, so bleibt es doch weiterhin als Elternpaar verbunden. "Sie wollen für ihre Kinder auch weiterhin gute Eltern bleiben, wissen aber oft nicht, wie sie das erreichen können. Das ist meistens ein kommunikatives Problem", sagt Heike Ingwersen-Herrmann. Die Mediatorin versucht dann, die beiden Partner wieder miteinander ins Gespräch zu bringen, ohne dass es zu Vorwürfen und Streitigkeiten kommt. "Und wenn sie zur Kommunikation bereit und zur Mediation in der Lage sind, können sie sagen, was sie wirklich wollen, ihr Ziel verfolgen und damit ihre Familie auch nach einer Trennung wieder gut aufstellen."

Eines der wichtigsten Dinge, die Eltern lernen müssen: Sie müssen aufhören, ihre Kinder zu instrumentalisieren. "Häufig wird das Kind als Bündnispartner im Rahmen solcher Scheidungssituationen benutzt, sodass es sich auf eine Seite schlägt. Eine Trennung wird in der überwiegenden Zahl der Fälle, wenn Kinder beteiligt sind, auf dem Rücken der Kinder ausgetragen. Auch deswegen ist mein Ziel als Anwältin, die Streitigkeiten nicht zu führen, sondern zu beenden", sagt Kruschel-Domizlaff. Für die Kinder ist dieses Hin- und Hergerissen-Sein eine schwierige Situation: "Sie geraten immer in einen Loyalitätskonflikt. Das führt dazu, dass der Vater zu mir kommt und sagt: "Das Kind ist total auf meiner Seite", die Mutter sagt dasselbe und wenn ich dann mit dem Kind allein spreche, weiß es nicht, wofür es sich entscheiden soll, und traut sich auch nicht zu sagen, was es am liebsten hätte", erzählt Schulte-Markwort.

Und wenn er dann die Frage stellt: Wenn du drei Wünsche frei hättest, was würdest du dir wünschen, wünschen sich Scheidungskinder immer als Erstes, dass die Eltern wieder zusammenkommen. "Früher hat man gedacht, dass es für Jugendliche leichter wäre, mit einer Scheidung fertigzuwerden, als für kleinere Kinder. Aber das stimmt nicht. Auch Jugendliche geraten noch in massive Identitäts- und Loyalitätskonflikte, wenn die Familie plötzlich auseinanderbricht. Deshalb ist unser Anliegen, möglichst eng zusammenzuarbeiten, um psychische Symptome frühzeitig zu erkennen, und damit die Trennung so konfliktarm wie möglich abläuft", betont der Kinderpsychiater. Dann können die Kinder mit einer ambulanten Psychotherapie behandelt werden, mit dem Ziel, Symptome zu lindern und ihnen zu helfen, eine eigene Position zu finden. Dabei erhalten sie auch rechtliche Unterstützung. "Jetzt haben alle Kinder das gesetzliche Recht auf einen Verfahrenspfleger, das heißt, in allen Streitigkeiten um das Kind, sei es das Sorgerecht oder bei wem das Kind wohnt, haben die Kinder einen eigenen Anwalt, der ihnen vom Gericht beigeordnet wird und der die Interessen des Kindes wahrnimmt", erklärt Ulrike Kruschel-Domizlaff.

Informationen im Internet: www.zif-hamburg.de