Im Tierpark Warder grasen Schafe von uralten Rassen vor einer Kulisse wie vor 5000 Jahren. Sie sind Teil der experimentellen Archäologie.

Warder. Jonas ist ein lebendes Relikt. Das Jakobsschaf sieht so aus wie seine Vorfahren vor 5000 Jahren. Der Zaun aus Weidengeflecht, die reetgedeckten Lehmhäuser und die auf Stelzen gebauten Speicher - in Jonas Welt scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Geschaffen hat diese einzigartige Siedlung aus der Jungsteinzeit das Archäologische Institut der Universität Hamburg.

"Wir haben hier echte Tiere vor neolithischer Kulisse. Das ist bislang einmalig", sagt Dr. Frank Andraschko. Er lehrt in Hamburg Vor- und Frühgeschichte und ist ein Verfechter der experimentellen, der gelebten Archäologie. "Aus der Epoche um 3000 v. Chr. finden wir vor allem Grundrisse und Scherben. Beides ist nicht sehr anschaulich. Die Gebäude wurden aus Holz und Lehm errichtet. Deshalb werden wir nie genau herausfinden können, wie sie wirklich aussahen, sondern können uns dem nur annähern. Dagegen sind die Tiere, die in Warder grasen, lebende Relikte. Ihr Aussehen hat sich über 5000 Jahre nicht verändert."

Die Schafe bringen nicht nur Leben in das kleine Freilichtmuseum, sie sind auch Forschungsobjekte. "Bislang ist wenig über die Viehhaltung der Steinzeitkulturen bekannt. Wahrscheinlich herrschte die Waldweide vor, doch Kollegen fanden bei einer gleichaltrigen Fundstätte in Nordrhein-Westfalen auch Hinweise auf Viehzäune. Wir wollen sehen, wie sich die Schafe in dem rekonstruierten Umfeld verhalten. Knabbern sie im Winter, wenn die Nahrung knapp wird, die Rinde von den Weidenstangen ab, die wir im Zaun verflochten haben? Schmecken ihnen womöglich sogar die Befestigungsseile?" Auch die Frage, ob das Vieh damals zum Teil mit in den Langhäusern gehalten wurde, sei nicht abschließend geklärt, so Andraschko.

Bei dem rekonstruierten Langhaus in Warder, das Ende August eingeweiht wurde, müssen die Tiere draußen bleiben. Viel mehr werden den Besuchern dort Hausutensilien und Handwerkszeug der sogenannten Trichterbecherkultur gezeigt. Diese Kulturform wird auf die Zeit 3500 bis 2800 v. Chr. datiert und war im nördlichen Mitteleuropa und Südskandinavien verbreitet. Ihren Namen verdankt sie den verzierten, trichterförmigen Tongefäßen, die an den Fundstellen ausgegraben wurden.

Die Menschen dieser in Norddeutschland ältesten Steinzeitkultur (aufgrund großer Steingräber auch nordische Megalithkultur genannt) betrieben bereits Landwirtschaft. Der Kieler Archäologe Jan Steffens wies anhand von Knochenfunden nach, dass in Süddänemark und im nördlichen Schleswig-Holstein mehr als 90 Prozent der fleischlichen Kost von Nutztieren stammt. Andraschko: "Die Trichterbecherkultur ist der Übergang vom Jagen und Sammeln zu Ackerbau und Viehzucht - in Warder sind neben den Tieren auch Beete mit Nutzpflanzen aus der Zeit zu sehen."

Das Ensemble soll weiter wachsen. "Derzeit entsteht ein zweites Langhaus", sagt Dr. Kai Frölich, Tierparkchef in Warder. "Es erhält gerade sein Dachgerüst. In ihm wollen wir einen Multimediabereich schaffen, der über die Trichterbecherkultur informiert" - neueste Technik unter dem denkbar altertümlichsten Dach. Verschiedene Stiftungen finanzieren das Projekt, darunter die Bingo-Umweltstiftung, die Zeit-Stiftung sowie die Schwarzkopf-Holding.

Die Hamburger Archäologen leisteten den wichtigen inhaltlichen Input, den Bau übernähmen meist die Tierparkhandwerker, so Frölich. "Zudem kooperieren wir mit dem Steinzeitpark Albersdorf in Dithmarschen."

"In Albersdorf bilden originale Gräber und rekonstruierte Häuser den Schwerpunkt", sagt Andraschko. Er hat an verschiedenen Standorten in Norddeutschland Anschauungsprojekte für vergangene Jahrhunderte gebaut. "Menschen sind das beste Archiv zur Weitergabe von Bautechniken", betont er, "meine Studenten und ich machen besonders viele Aktionen mit Kindern." In Warder steht dazu neben den Gebäuden ein Streichelzoo bereit.