Viele Kleinkinder, die eine neue Niere brauchen, leiden an einer angeborenen Erkrankung der Harnwege.

Wenn die Rede von Organtransplantationen ist, denken die meisten an Erwachsene, die ein neues Herz, eine Leber oder eine Niere brauchen. Doch immer wieder benötigen auch schon Säuglinge in den ersten Lebensmonaten zum Beispiel eine Niere.

"Der häufigste Grund für eine Nierentransplantation ist eine angeborene Erkrankung, die die Nierenfunktion immer stärker beeinträchtigt, bis sie nicht mehr ausreicht", sagt Prof. Markus Kemper, leitender Oberarzt der Nephrologie in der Kinderklinik des Uniklinikums Eppendorf (UKE).

Dahinter stecken meist Fehlbildungen der ableitenden Harnwege oder Erbkrankheiten wie die Zystenniere. Auf eine Million Einwohner gibt es pro Jahr ein bis zwei Kinder, deren Nierenfunktion so nachlässt, dass sie eine Dialyse oder eine neue Niere brauchen.

Für die Operation sollten sie ein bestimmtes Körpergewicht haben. "Früher mussten die Kinder mindestens zehn Kilo wiegen", sagt der Nierenspezialist. Heute könne man auch bei Kindern transplantieren, die noch leichter sind. Das hänge vom Allgemeinzustand ab. Entscheidend sei, ob und wann ein Organ verfügbar sei. "Für die Leichenspende, die über Eurotransplant vermittelt wird, beträgt die Wartezeit im Mittel zwei Jahre", sagt Kemper. Diese Wartezeit kann durch eine Verwandtenspende umgangen werden. Dabei wird eine gesunde Niere, etwa von einem Elternteil, benutzt. Damit kann man den Kindern die Dialysebehandlung ersparen, wenn die Niere nicht mehr funktioniert. "Und die Ergebnisse nach Verwandtenspenden sind besser als nach der Leichenspende. Das liegt unter anderem auch daran, dass die Zeit, in der das Organ nicht durchblutet wird, kürzer ist als bei der Leichenspende, bei der es manchmal nach der Entnahme durch die Transportwege sehr lange dauern kann, bis die neue Niere bei dem Kind eingesetzt werden kann", erklärt der Kinderarzt.

Der Eingriff dauert zwei bis drei Stunden. Danach brauchen Kinder, ihre Eltern und die Ärzte Geduld. Während bei der Verwandtenspende die neue Niere meist sofort funktioniert, kann es bei der Leichenspende manchmal Tage, selten sogar Wochen dauern. Deshalb sollte eine Nierentransplantation bei Kindern nur in spezialisierten Zentren durchgeführt werden, in denen alle Therapien, insbesondere die Dialyse, möglich sind.

Das Risiko, dass der Körper des Kindes die neue Niere abstößt, ist durch neue Medikamente aus der Gruppe der Immunsuppressiva heutzutage geringer als früher und liegt im ersten Jahr bei zehn bis 20 Prozent. "Der Preis dafür, dass diese Medikamente die Abwehrreaktion des Immunsystems gegen das fremde Gewebe unterdrücken, ist eine erhöhte Anfälligkeit für Infektionen. Das sind vor allem Harnwegsinfekte durch Bakterien oder bestimmte Virusinfektionen. Jetzt versuchen wir, die Immunsuppressiva so niedrig einzustellen, dass die Abstoßungsreaktion unterdrückt wird, aber weniger Infektionen auftreten", sagt Kemper.

Die Betreuung von nierentransplantierten Kindern ist aufwendig. Nach der OP müssen sie meist vier Wochen in der Klinik bleiben und später regelmäßig zu Kontrollen in die Ambulanz.

Eltern sollten sich sofort mit dem behandelnden Arzt in Verbindung setzen, wenn das Kind Fieber bekommt. Denn dahinter kann auch mal eine Abstoßungsreaktion stecken. Die Kinder müssen regelmäßig ihre Medikamente nehmen und ein bis zwei Liter am Tag trinken. "Ansonsten wollen wir erreichen, dass sie ein möglichst normales Leben führen und an körperlichen Aktivitäten wie Sport teilnehmen", sagt Kemper.

Extrem- und Kampfsportarten sollten allerdings tabu sein, weil dabei das Risiko besteht, die neue Niere zu verletzen, die nicht an ihrem natürlichen Ort im hinteren Bauchraum, sondern in der Leistengegend implantiert wird.

Im vergangenen Jahr wurden am UKE durch das Transplantationsteam unter der Leitung von Prof. Björn Nashan 17 Nierentransplantationen bei Kindern durchgeführt, bei dreien davon wurde gleichzeitig eine Leber mitverpflanzt. Diese kombinierte Transplantation ist immer dann nötig, wenn zum Beispiel durch angeborene Erkrankungen in der Leber Stoffwechselprodukte gebildet werden, die die Niere schädigen oder wenn durch eine angeborene Erkrankung beide Organe nicht mehr funktionieren.