Der deutscher Mediziner wurde für seine Forschungen zum Gebärmutterhalskrebs 2008 mit dem der Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet.

Hamburger Abendblatt: Vor knapp einem Jahr haben Sie den Nobelpreis für Medizin bekommen. Wie hat das Ihr Leben verändert?

Prof. Harald zur Hausen Ich habe damals allen Reportern, auch Ihnen, geantwortet: Gar nichts wird sich ändern. Das war ein großer Irrtum. Es hat sich geändert. Ich erhalte täglich Mengen an Post, viele Einladungen zu Vorträgen, werde um Beiträge in Büchern und Zeitschriften gebeten.

Abendblatt: Und Ihr Labor? Kommen Sie noch zum Forschern?

Prof. Harald zur Hausen: Doch, ich bin viel zu gern im Labor. Gegenwärtig untersuchen wir, ob Viren bei Leukämien eine Rolle spielen.

Auch bei Dickdarm- und Brustkrebs suchen wir nach bisher unbekannten Viren oder anderen Erregern. Schließlich wurden allein in den vergangenen zwei Jahren vier neue Viren aus einer Gruppe entdeckt, von denen eines nachweislich Krebs auslöst, das Merkelzell-Karzinom.

Abendblatt: US-Nobelpreisträger James Watson hat von Obama gefordert, einen "Feldzug gegen den Krebs" zu führen ...

Prof. Harald zur Hausen: Ich weiß nicht, ob es sinnvoll ist, einen Feldzug gegen Krebs anzukündigen. Gewaltige Summen Geld sind nicht die Lösung. Wir brauchen kontinuierliche Arbeit, intelligente, originelle Konzepte, undogmatisches Denken.

Abendblatt: Beispielsweise?

Prof. Harald zur Hausen: Wir wissen, dass der Verzehr von Rindfleisch ein Risikofaktor für Dickdarmkrebs ist. Man führt das auf krebserregende Stoffe zurück, die beim Braten und Grillen entstehen. Doch Geflügelfleisch, das genauso zubereitet wird, hat diese Folgen nicht. Das bedarf doch einer Erklärung. Unsere Spekulation ist, dass eine hitzeresistente virale Komponente im Fleisch steckt, die im Zusammenwirken mit den krebserregenden Stoffen das Risiko ausmacht. Beispielsweise überleben einige Papillomaviren bis zu 90 Grad Celsius - und so hoch wird Fleisch heute selten erhitzt. Aber wie gesagt, noch ist das eine Spekulation.

Abendblatt: Sie sind mit einer Südafrikanerin verheiratet und im südlichen Afrika beruflich aktiv. Was tun Sie dort?

Prof. Harald zur Hausen: Im Süden Afrikas sterben mehr Frauen an Gebärmutterhalskrebs als an Brustkrebs. Im Auftrag der Internationalen Organisation gegen Krebs betreue ich ein Programm, um Screening und Impfung in Tansania zu fördern.

Abendblatt: Wegen der Impfung, die auf Ihren mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Forschungsergebnissen basiert, sind Sie mehrfach angegriffen worden.

Prof. Harald zur Hausen : Viele Berichte sind in Umlauf gebracht worden, die wesentliche Aspekte der Impfung verschweigen. Wenn ich 'verschweigen' sage, meine ich damit, dass die Impfung jährlich etwa 140 000 Frauen in Deutschland einen chirurgischen Eingriff am Gebärmutterhals ersparen kann. Betont werden auch die Nebenwirkungen. Bei einer Studie in Australien, bei der 300 000 Impfdosen verteilt wurden, gab es drei Nebenwirkungen, die auf der Impfung beruhten. Damit ist die HPV-Impfung nicht gefährlicher als jede andere Impfung, die heute bei kleinen Kindern durchgeführt wird.