Eine deutschlandweit einzigartige Therapie hilft den Patienten beim Abnehmen. Psychologen begleiten die Übergewichtigen auf diesem Weg.

"In den vergangenen sechs Wochen habe ich zehn Kilogramm abgenommen und wiege jetzt 108 Kilogramm, bei einer Körpergröße von 1,78 Metern", sagt Detlev Ring. Der 56-Jährige war einer der ersten Patienten in der Tagesklinik für Stoffwechselstörungen am Asklepios-Westklinikum in Rissen, die im Mai eröffnet wurde. "Damit haben wir ein Angebot, das in Deutschland einzigartig ist", sagt Prof. Manfred Dreyer, Chefarzt der Inneren Medizin am Asklepios-Westklinikum und Leiter der Tagesklinik.

An der Therapie sind mehrere Fachdisziplinen beteiligt, Psychosomatik und Psychotherapie, die Beratung für Adipositas-Chirurgie, die Klinik für Innere Medizin mit der Diabetologie und das Schlaflabor. Hier können stark Übergewichtige aufgenommen werden, deren Body-Mass-Index (BMI) über 35 liegt. "Wer bereits an Folgeerkrankungen des Übergewichts leidet, kann schon mit einem BMI über 30 behandelt werden", sagt Dr. Helge Fehrs, Oberarzt in der Tagesklinik. Dazu zählen die Arteriosklerose, die Erkrankung der Herzkranzgefäße, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdruck, erhöhtes Krebsrisiko, insbesondere für Dickdarmkrebs, Hormon- und Schlafstörungen, degenerative Erkrankungen an Gelenken und Wirbelsäule und Depression. Zudem müssen die Patienten mehrere erfolglose Abnehmversuche hinter sich haben.

Wer den Ausweg in immer wieder neuen Diäten sucht, kann schnell in eine Spirale geraten, die das Gewicht immer schneller hochtreibt. "Scheinbar erfolgt eine schnelle Gewichtsabnahme, aber man nimmt danach schneller und mehr zu. Das ist der Jojo-Effekt. Mit jeder Diät wird die folgende Gewichtsabnahme schwieriger. Ständiges Ab- und Zunehmen ist ein wesentlich höherer Risikofaktor für Erkrankungen der Herzkranzgefäße als konstantes Übergewicht", sagt Prof. Dreyer.

Auch Detlev Ring hatte vor seinem Aufenthalt lange vergeblich gegen sein Übergewicht gekämpft. Alle Diäten blieben erfolglos. Auch Versuche, der Gewichtszunahme mit Sport gegenzusteuern, funktionierten nicht mehr. Als er nach Rissen kam, hatte er einen BMI von 35.

In der Tagesklinik nehmen die Patienten über sechs Wochen je fünf Tage von 8.30 bis 15.30 Uhr an einem Therapieprogramm teil, das aus mehreren Bausteinen besteht. So treffen sie sich regelmäßig in einer psychologischen Gruppe, haben pro Woche eine halbe Stunde Einzelberatung, zweimal Feldenkraistherapie, dreimal Sport, dreimal angeleitetes Kochen in der Lehrküche und zweimal Ernährungsberatung. Krankheiten werden medizinisch behandelt, und in einer chirurgischen Sprechstunde können sich die Patienten über operative Möglichkeiten informieren. "Wir klären auch darüber auf, dass nur bestimmte Patienten für eine solche Operation infrage kommen. Voraussetzung ist, dass bisherige Behandlungsmaßnahmen erfolglos geblieben sind, dass die Patienten einen BMI von mehr als 40 und schon Begleiterkrankungen haben. In solchen Fällen können wir operativ einen Magenbypass oder Schlauchmagen anlegen bzw. ein Magenband einsetzen", sagt Dr. Wolfgang Tigges, Chefarzt der Chirurgie im Asklepios-Westklinikum. Diese Maßnahmen führen dazu, dass der Magen verkleinert wird und der Patient Nahrung nur noch in kleinen Portionen zu sich nehmen kann.

Das Gefühl für gesundes Essen und angemessene Portionen haben Übergewichtige oft schon verloren. "Die meisten adipösen Menschen frühstücken nicht, essen nicht zu Mittag, kaufen dann nachmittags beim Bäcker ein Franzbrötchen und essen für den Rest des Tages nur noch ungesunde Weißmehlprodukte und dann noch eine große Mahlzeit am Abend. Mit diesem Essverhalten kann man sehr schnell viel an Gewicht zunehmen", sagt Verena Bergunde, Psychologin und Suchttherapeutin. Ziel der Therapie ist, dass die Patienten wieder einen gesunden Rhythmus finden. "Sie sollen vollwertig frühstücken und Zwischenmahlzeiten einnehmen, lernen, kleine Portionen zu essen, die dann auch mit diesen Operationen vereinbar sind. Und sie sollen lernen, Probleme nicht wegzuessen, sondern sie selbstbewusst anzugehen und zu lösen", sagt die Psychologin.

Bei Detlev Ring hat sich in den vergangenen Wochen viel getan: "Mein Bewusstsein für das Essen hat sich verändert, ebenso das Verständnis für meinen Körper. Ich kaufe anders ein als früher, achte auf den Fettgehalt der Lebensmittel. Das habe ich hier in der Ernährungsberatung und in der Lehrküche kennengelernt." Dabei, das Gelernte in den Alltag umzusetzen, sind die Experten der Tagesklinik behilflich. "Das Trainings- und Erfahrungsprogramm wird zu Hause geübt, und die Probleme, die dabei auftauchen, können die Patienten hier unter Anleitung bearbeiten", sagt Fehrs.

Am Ende des Aufenthalts sollen die Patienten so gut gerüstet sein, dass sie sich selbst helfen können. Vier Wochen nach der Entlassung haben sie die Möglichkeit, in der Tagesklinik noch mal ein Gespräch zu führen. "Dabei wird überprüft, wie die Therapie angeschlagen hat, wie sich das Gewicht und die Lebenszufriedenheit entwickelt haben", sagt Fehrs. Wer noch weiter Unterstützung braucht, kann sich auch an die Selbsthilfegruppe "Dicke Freunde" wenden, die an die Tagesklinik angedockt ist und sich zweimal im Monat trifft. "Daran nehmen Menschen aus Hamburg und dem gesamten Umland teil", sagt Ingrid Hergeselle, die diese Gruppe organisiert hat. Weitere Infos finden sich auf der Internetseite www.dicke-freunde-hamburg.de .

Detlev Ring wird heute aus der Tagesklinik entlassen und ist gespannt auf sein neues Leben: "Ich bin neugierig, wie es mir gelingt, das Gelernte in den Alltag umzusetzen."

Tagesklinik für Stoffwechselstörungen, Asklepios-Westklinikum Hamburg, Telefon 81 91 22 01, E-Mail: tks@awhh.de