Die Untersuchung des Tumors auf zwei sogenannte Biomarker kann ergeben, dass die belastende Behandlung nicht erforderlich ist.

Wenn Frauen an Brustkrebs erkranken, müssen sie über Monate eine ganze Reihe von Therapien über sich ergehen lassen. "Aber die größte Angst haben sie vor der Chemotherapie", sagt Privatdozent Dr. Jörg Schwarz, Chefarzt der Klinik für Gynäkologie, Onkologie und Brustzentrum im Asklepios-Klinikum Nord, Campus Heidberg. Zwar hat diese Behandlung die Heilungschancen bei Brustkrebs dramatisch verbessert, aber sie ist gefürchtet wegen ihrer Nebenwirkungen. Während der fünf bis sechs Monate Therapie leiden die Frauen unter Haarausfall, Übelkeit und einer Abwehrschwäche mit erhöhtem Infektionsrisiko. Mit einer neuen Methode könnten Ärzte alleine in Deutschland 10 000 bis 15 000 Frauen pro Jahr diese Belastungen ersparen, weil mit ihrer Hilfe unterschieden werden kann, ob bestimmte Brustkrebspatientinnen ein geringes oder ein hohes Rückfallrisiko haben.

Heutzutage wird der Brustkrebs so frühzeitig festgestellt, dass bei 70 Prozent der Frauen noch keine Lymphknoten befallen sind. Und bei ebenfalls 70 Prozent von ihnen weist der Brustkrebs eine mittelgradige Bösartigkeit auf. Das ist die große Gruppe, bei der man nicht genau weiß, welche Frauen wirklich eine Chemotherapie brauchen und welche nicht", sagt der Gynäkologe. Dabei gibt es Prognosefaktoren, die diese Gruppen klar unterscheiden können, in die Frauen mit hohem und mit geringem Rückfall-Risiko. Es handelt es sich um Biomarker, zwei Eiweiße, die zum Gerinnungssystem gehören, den sogenannten Plasminogen-Aktivator vom Urokinase-Typ (uPA) und den Plasminogen-Aktivator-Inhibitor 1 (PAI 1).

Diese beiden Faktoren können bewirken, dass das Bindegewebe in der Umgebung der Krebszelle abgebaut wird. So ermöglichen sie es dem Tumor, in das umgebende Gewebe hineinzuwachsen und auch Metastasen zu bilden. "Es hat sich gezeigt, dass die Tumoren, die viel uPA produzieren, auch besonders bösartig und aggressiv sind und in der Lage sind, Metastasen zu bilden. PAI-1 hemmt zwar die Wirkung des uPA. Aber wenn es eine bestimmte Konzentration überschreitet, wirkt es sich ebenfalls ungünstig aus. Wenn mindestens einer der Werte im Tumorgewebe hoch ist, hat man gesehen, dass die Prognose schlechter ist, etwa vergleichbar damit, dass bei der Patientin drei Lymphknoten befallen sind", erklärt der Gynäkologe, der am 1 Juli die Leitung der Gynäkologie im Norden Hamburgs übernommen hat. Seitdem wird die Methode auch in seiner Klinik angewendet. Die Methode kostet 250 Euro, die die Patientin allerdings selbst bezahlen muss. Das ist aber noch wenig im Vergleich zu dem Mammaprint-Verfahren, bei dem 70 Gene untersucht werden und das ebenfalls eine Voraussage über den Nutzen einer Chemotherapie erlauben soll. "Für diese Methode, die noch nicht annähernd so gut erforscht ist, müssen die Patientinnen 2000 Euro aus eigener Tasche bezahlen", sagt Schwarz.

Zu der uPA/PAI-1-Methode gibt es aktuelle Studien. Nach einer neuen Untersuchung leben zehn Jahre nach der Diagnosestellung noch 88,9 Prozent der Frauen, bei denen keine erhöhten Werte festgestellt wurden, aber nur 77,5 Prozent der Frauen mit hohem uPA/Pai-1-Spiegel. Und es hat sich auch in Studien gezeigt, dass sich die Prognose verbessert, wenn man Frauen, bei denen mindestens ein Wert hoch ist, eine Chemotherapie gibt. "Der Vorteil der Therapie ist ebenfalls in vielen Studien belegt", betont Schwarz. .

Doch obwohl die uPA/PAI-1-Methode bereits seit mehr als 20 Jahren erforscht ist und von den Fachgesellschaften in Deutschland empfohlen wird, hat sich das Verfahren noch nicht durchgesetzt. Als eine Ursache dafür vermutet Schwarz, dass diese Untersuchung mit einigem Aufwand verbunden ist: "Sofort, nachdem der Tumor operativ entfernt wurde, muss der Pathologe ein größeres Gewebestück herausschneiden und anschließend auf Flüssigstickstoff kühlen. Das tiefgekühlte Gewebe wird dann aufgearbeitet, sodass die Proteinkonzentration in dem Tumor bestimmt werden kann." Nichtsdestotrotz plädiert Schwarz dafür, das Verfahren flächendeckend einzuführen: "Denn es ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einer maßgeschneiderten Therapie, die auf jede Patientin individuell zugeschnitten ist und ihr unnötige Belastungen erspart."