Hauptursache des vom Menschen verursachten Klimawandels ist zu viel Kohlendioxid in der Atmosphäre. Als schädliche Treibhausgase wirken aber auch Verbindungen wie Methan und Halogenkohlenwasserstoffe, darunter die berüchtigten FCKW aus Spraydosen und Kühlmitteln. Letztere wurden im Zusammenhang mit dem Ozonloch über der Antarktis und einem drohenden Ozonloch über der Arktis diskutiert - und schließlich aus den Regalen verbannt.

Unsere jüngste Expedition mit dem Forschungsschiff "Meteor" belebt das Thema jetzt neu: Auch Pflanzen in Küstenzonen wie Mangroven oder unsere heimischen Salzwiesen stellen die für die Atmosphärenchemie kritischen Verbindungen her - und zwar in weit höherem Maß als bisher angenommen.

Sie produzieren aus den sie umgebenden Fluor-, Chlor- und Jodsalzen sogenannte Methylhalide und geben diese in die Umgebungsluft ab. Um festzustellen, welche Halogenverbindungen aus Pflanzen stammen und welche menschlichen Ursprungs sind, nutzen die Wissenschaftlerteams einen bewährten Trick und untersuchen spezielle Kohlenstoffanteile der jeweiligen Luftproben. Treibhausgase aus pflanzlichen Quellen sind dabei geringfügig leichter, weil der Ein- und Umbau im pflanzlichen Stoffwechsel sie verändert hat.

Zwar ist dieser Prozess, was die Mengen angeht, mit dem derzeitigen CO 2 -Anstieg nicht zu vergleichen, dennoch könnte die Chemie unserer Atmosphäre künftig womöglich gehörig durcheinandergeraten. Was passiert etwa, wenn in Folge des Klimawandels mehr Flächen bewässert werden müssen, die Böden versalzen und zusätzliche Halogenkohlenwasserstoffe frei werden? Inwieweit würden die Folgen aufgefangen, weil ein Teil der bisherigen Mangrovenwälder und Salzmarschen durch den Anstieg des Meeresspiegels überflutet würde und als Quelle wegfällt?

Gemeinsam mit unseren Kollegen vom Institut für Meteorologie am KlimaCampus entwickeln wir derzeit ein Rechenmodell, in das alle diese Wenn-dann-Überlegungen einfließen. Die Meteorexpedition vor der Küste Brasiliens, wo 60 bis 70 Prozent der tropischen Küstenlinie mit Pflanzen bedeckt ist, die Halogenkohlenwasserstoffe produzieren, liefert hierfür die Basisdaten.

Nachdem alle Proben untersucht sind, gilt es möglichst exakte Bilanzen aufzustellen. Bisher wurde geschätzt, dass Salzmarschen für rund ein Fünftel dieser weltweiten Halogeneinträge verantwortlich sind. Tatsächlich liegt die Menge möglicherweise deutlich darüber. Gleichzeitig stellen sich neue Fragen: Wie viele Treibhausgase pflanzlichen Ursprungs gelangen heute und in Zukunft in höhere Schichten der Atmosphäre, wo sie mit anderen Verbindungen reagieren? Womit wir wieder beim Ozonloch wären.

Die Klimaforschung in Hamburg genießt internationales Renommee und ist einer der wissenschaftlichen Leuchttürme der Hansestadt. 17 Uni-Institute aus den Natur-, Sozial- und Geistes- und Geowissenschaften, das Max-Planck-Institut für Meteorologie und das Institut für Küstenforschung des Geesthachter Forschungszentrums GKSS haben sich zum KlimaCampus zusammengeschlossen. Unter dem Motto "Neues aus der Klimaforschung" präsentieren Wissenschaftler der unterschiedlichen Fachdisziplinen des KlimaCampus den Abendblatt-Lesern einmal im Monat neueste Ergebnisse aus ihrem jeweiligen Forschungsgebiet.

Dr. Richard Seifert arbeitet am Uni-Institut für Biogeochemie und Meereschemie.