Ob eine versteckte Neigung zur Selbsttötung oder Bitte um mehr Aufmerksamkeit - rasches Handeln und eine Therapie sind wichtig.

Sie probieren aus, was das Leben zu bieten hat, selbst wenn sie sich in Gefahr begeben. Im Gegenteil, je gefährlicher das Unternehmen, desto größer der Nervenkitzel, der "Kick". Etwa einer von 100 Jugendlichen zeigt ein solches Risikoverhalten, aber auf sehr unterschiedliche Weise. Einige Verhaltensweisen: Drogen ausprobieren, bei illegalen Auto- oder Motorradrennen mitmachen, auch ungeschützter Geschlechtsverkehr mit häufig wechselnden Partnern oder Selbstverletzungen mit scharfen Gegenständen, das Ritzen, zählen dazu. Die Übergänge von normalem zu krankhaftem Risikoverhalten sind fließend. "Normal ist, dass Jugendliche in der Pubertät das Ausprobieren von Grenzen brauchen, um ihre Identität zu finden und Eigenständigkeit zu entwickeln", sagt Prof. Michael Schulte-Markwort, Direktor der Kinder- und Jugendpsychosomatik am Uniklinikum Eppendorf.

Es kann sein, dass sie Regeln der Eltern infrage stellen und immer mal wieder überschreiten. Ein Beispiel sind die Diskussionen darüber, wann der Jugendliche abends zu Hause sein soll. "Wenn solche Regelüberschreitungen ständig vorkommen oder sich der Jugendliche selbst gefährdet, wird das Risikoverhalten krankhaft", sagt der Jugendpsychiater.

Krankhaftes Risikoverhalten hat seine Ursachen meist in seelischen Problemen. "So kann dahinterstecken, dass jemand ein schlechtes Selbstwertgefühl kompensieren will, oder dass es ihm egal ist, ob er weiterlebt, eine versteckte Neigung zum Suizid."

Ein solches Verhalten kann auch ein Appell an Mitmenschen sein, die Bitte um mehr Aufmerksamkeit. Besonders anfällig ist, wer psychisch schwächer strukturiert ist, wenn jemand etwa eine Borderline-Störung hat, die mit starken Stimmungsschwankungen einhergeht und der mangelnden Fähigkeit, Gefühle zu kontrollieren und zu steuern. Gefährdet sind auch narzisstische Persönlichkeiten, die sehr auf positive Bestätigung anderer angewiesen sind.

Wenn Eltern ein solches Risikoverhalten auffällt, sollten sie sich schnell an einen Kinder- und Jugendpsychiater wenden, um einschätzen zu lassen, was dahintersteckt, wie groß die Gefährdung ist. "Wichtig ist, dass man als Eltern gefährliches Verhalten keinen Tag länger duldet, einmal S-Bahnsurfen ist schon zu viel", betont Schulte-Markwort.

Der Jugendpsychiater kann gemeinsam mit dem Jugendlichen in einer Therapie herausfinden, warum er sich so verhält und warum ihm sein Leben so wenig wert ist, und dann daran arbeiten, wie sich seine Situation verbessern lässt. Allerdings ist es oft nicht einfach, an die Jugendlichen heranzukommen, besonders bei den Jungen ist es schwierig, sie für eine Psychotherapie zu gewinnen. "Da muss man ausgesprochen geduldig sein. Aber wenn man sie in die Therapie bekommt, und sie machen mit, besteht auch bei Jungen eine 50-prozentige Chance, dass alles wieder gut wird", sagt Schulte-Markwort.