Spritzen und Krankengymnastik helfen hier nicht weiter. Experten empfehlen einen minimal-invasiven Eingriff, bei dem die Sehne am Knochen verankert wird .

Hamburg. Es ist ein Schmerz, der einen durch den Tag begleitet: Beim Anheben der Selterkiste zieht er durch den Oberarm, ebenso beim Ausleeren des Mülleimers und sogar, wenn man sich eine Tasse Kaffee eingießt. Und wer sich tagsüber deutlich zu viel zugemutet hat, spürt den Schmerz in der Schulter noch, wenn er nachts im Bett liegt. "Solche Beschwerden sind typisch für einen Riss in der Muskulatur, die das Schultergelenk umgreift, unter Medizinern bekannt als Rotatorenmanschette. Sie sorgt dafür, dass der Oberarmkopf richtig in der Gelenkpfanne liegt, sagt Dr. Kai-Uwe Jensen, Orthopäde in der Arthro-Clinic in Hamburg.

Die Ursache für einen solchen Riss liegt, zumindest teilweise, auch in der menschlichen Anatomie. Denn genau über den Sehnen dieser Muskeln am Oberarmkopf liegt das knöcherne Schulterdach. "Dieser Raum ist sehr eng, was dazu führen kann, dass die Sehnen im Laufe des Lebens verschleißen und abreißen", sagt Jensen. Häufig ist es auch ein leichter Sturz auf den Arm, der in Kombination mit den Verschleißerscheinungen zu einem Riss führt, in der Regel erst bei Menschen, die älter sind als 50 Jahre. Der Betroffene kann dann auch ein kurzes Knirschen und Knacken im Gelenk spüren, weil durch den Abriss der Sehne Knochen auf Knochen reibt, und er bemerkt, dass er plötzlich nicht mehr so viel Kraft im Arm hat.

Nun können Schulterschmerzen viele Ursachen haben und werden häufig erst einmal mit Spritzen und Krankengymnastik behandelt. Dadurch lässt sich auch bei einem Riss der Rotatorenmanschette im Laufe von Wochen erreichen, dass die Schmerzen und die Schwäche im Arm vorübergehend wieder nachlassen. Doch diese Besserung ist trügerisch, denn irgendwann kehren die Beschwerden zurück, und der Riss bleibt und wird mit der Zeit immer größer.

Deswegen plädiert Jensen dafür, bei solchen Beschwerden immer eine Ultraschallaufnahme anzufertigen, um einen Riss in der Rotatorenmanschette auszuschließen. Wenn er den Verdacht hat, dass ein Patient eine solche Verletzung hat, wird dieser mit Ultraschall und einer Kernspinaufnahme untersucht. "Damit kann man die Größe des Risses bestimmen und die Qualität des Muskels. Denn ob eine operative Rekonstruktion der Sehne Sinn macht, hängt auch immer davon ab, wie gut der Muskel noch funktioniert", sagt der Orthopäde.

Wenn eine Rekonstruktion möglich ist, wird der Patient minimal-invasiv mit kleinen Schnitten operiert. "Wir operieren die Patienten immer arthroskopisch, weil in einem offenen Eingriff die Operationswunde wesentlich größer ist. Und mithilfe der Arthroskopie haben wir auch einen besseren Überblick über das Operationsgebiet", sagt Jensen, der rund 250 solcher Operationen pro Jahr durchführt. In dem Eingriff, der zwischen vierzig Minuten und anderthalb Stunden dauert, wird die abgerissene Sehne so weit vom umgebenden Gewebe gelöst, dass man sie wieder an den Knochen heranführen kann. Dort wird sie mit sogenannten Nahtankern - das sind Fäden an kleinen Dübeln - wieder im Knochen befestigt.

Aber die Heilung der Sehne braucht Zeit. "Das bedeutet, im Schnitt darf die Schulter in den ersten sechs Wochen nicht aktiv bewegt werden. Der Arm wird mithilfe eines Verbandes ruhig gestellt und darf nicht angehoben werden", erklärt Jensen. Wenn die sechs Wochen vorbei sind, darf man mit krankengymnastischer Unterstützung den Arm auch wieder stärker bewegen. Die gesamte Rekonvaleszenz nach einem solchen Eingriff dauert drei bis sechs Monate, bis der Arm wieder gut bewegt und auch belastet werden kann. "Der Erfolg der OP hängt stark davon ab, ob sie rechtzeitig erfolgt ist, zu einem Zeitpunkt, wo die Muskulatur noch gut erhalten ist und nicht zu große Defekte existieren", sagt Jensen.

Je später die OP durchgeführt wird, desto höher ist das Risiko, dass der Defekt nicht komplett behoben werden kann. "Aber die meisten Patienten profitieren von dem Eingriff, auch wenn hinterher teilweise noch ein Defekt nachweisbar ist", betont Jensen.

Aber nicht immer ist eine Rekonstruktion möglich. Wenn die Muskulatur sich schon zu weit zurückgebildet hat, setzen die Orthopäden eine spezielle, sogenannte inverse Endoprothese ein, die auch ohne Rotatorenmanschette gut funktioniert. Sie wird aber in er Regel erst für Patienten verwendet, die älter als 70 Jahre sind, weil diese Prothesen hohen biomechanischen Belastungen ausgesetzt sind und dadurch die Gefahr der Lockerung bei jüngeren Menschen zu groß ist. Für sie kommen recht aufwendige Sehnen-Transfer-Operationen in Betracht, die die Schulterfunktion verbessern, oder sogenannte Kappen-Prothesen, die die Schmerzen lindern können. Allerdings bleibt bei diesen Patienten die Funktion der Schulter meist eingeschränkt.