Die Zahl der an Schweinegrippe erkrankten Deutschen steigt weiter. Bundesweit waren nach Angaben des Robert-Koch-Instituts vom Freitag 2844 Menschen betroffen.

Die Zahl hatte sich binnen 24 Stunden um knapp 400 erhöht. Der Präsident des Instituts, Jörg Hacker, geht davon aus, dass sich die Krankheit in Deutschland weiter in diesem Tempo ausbreitet. Er widersprach aber Medienberichten, wonach die Pandemie außer Kontrolle geraten sei. "Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, um das Geschehen zu kontrollieren", sagte er. Gleichwohl sei angesichts der absehbar steigenden Zahl von Infizierten auch mit "schweren Verläufen" zu rechnen. Auch die Behörden in den Bundesländern sehen die Situation eher gelassen. Allerdings haben die Gesundheitsminister der Länder den Impfstoff zur Abwehr der "Neuen Influenza" bestellt, bundesweit etwa 50 Millionen Impfdosen für 25 Millionen Menschen. Die Impfungen sollen im Oktober beginnen. Ein großer Teil der Menschen in Deutschland könnte sich dann aber bereits infiziert haben. "Deutschland hat den Impfstoff relativ spät bestellt - im Ausland wurde das zum Teil früher gemacht", sagte der Virologe Prof. Alexander Kekulé von der Universität Halle-Wittenberg dem Radiosender NDR info. Nach Nordrhein-Westfalen ist Niedersachsen unter den Ländern am stärksten betroffen. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums gab es bis zum Freitag dort etwa 800 Fälle. Am Flughafen Hannover dürfen Maschinen, in denen ein Passagier mit Schweinegrippe-Verdacht an Bord ist, nur auf Außenpositionen landen. Ein Sprecher sagte, es habe drei solcher Fälle gegeben. Auch in den Urlaubsfliegern trifft die Besatzung Vorkehrungen - bei der Fluggesellschaft TUIfly tragen die Flugbegleiter beim Abräumen der Speisetabletts inzwischen Handschuhe.

Nach Angaben des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministeriums obliege die Absage von Großveranstaltungen den kommunalen Gesundheitsämtern. Dass es rasch zu solchen Maßnahmen kommen werde, sei nicht anzunehmen. Ähnlich sieht es eine Sprecherin der Berliner Gesundheitsverwaltung: Mit 98 bestätigten Erkrankungen gebe es "keinerlei Veranlassung", etwa die Leichtathletik-WM im August infrage zu stellen. Darüber werde erst nachgedacht, wenn 30 Prozent der Bevölkerung erkrankt seien. Derweil ist der bundesweit erste an Schweinegrippe erkrankte Säugling aus dem Krankenhaus entlassen worden. Der kleine Junge war kurz nach seiner Geburt am 17. Juli mit hohem Fieber in die Uniklinik gebracht worden, wo das H1N1-Virus nachgewiesen wurde. Das Baby kam in einem Krankenhaus in Bad Oldesloe (Kreis Stormarn) zur Welt und wurde dort vermutlich von einer Ärztin angesteckt. Die Zahl der in Schleswig-Holstein nachgewiesenen Fälle liegt bei 97. Mit der Zunahme der Infektionen gewinnen Pandemiepläne für Unternehmen an Bedeutung. Für große Konzerne könne das globale Arbeiten nun ein Nachteil sein, sagte Peter Höbel, Experte für Krisenmanagement in Frankfurt. "Der Austausch von Erregern ist dort eher wahrscheinlich als bei Mittelständlern." Weltweit sind mehr als 150 000 Infektionen mit dem neuen H1/N1-Virus registriert, 917 Menschen sind daran gestorben. RKI-Präsident Jörg Hacker sagt voraus, dass die Fallzahlen in Deutschland weiter um 400 bis 600 pro Tag ansteigen werden.