In drei Stunden Hitze und Kälte, Wüste und Tropenwald erleben - das Klimahaus in Bremerhaven bietet eine abenteuerliche Reise durch die Klimazonen. Von Elisabeth Jessen

Alle Wetter! Gänsehaut am Gletscher, Schwitzen im tropischen Regenwald, der trockene Wüstenwind der Sahelzone auf der Haut und der blanke Hans mit Sturm und Flut auf der Hallig Langeneß unter den Füßen. Wer fühlen und spüren will, was das Wort "Klima" für das Wetter rund um den Globus bedeutet, muss keine Weltreise mehr buchen und schon gar nicht 80 Tage auf Jules Vernes Spuren einplanen. In Bremerhaven genügen ein Tag und ein ordentlicher Fußmarsch durch das neue Klimahaus. Die wissenschaftliche Erlebniswelt am Hafen wird am Donnerstag offiziell eingeweiht. Von Sonnabend an steht sie auch Besuchern offen.

Foua Toloa hat in dieser Woche noch einen Termin in New York. Das 53-jährige Regierungsmitglied aus Tokelau, einer Gruppe von Atollen im Südpazifik, soll bei den Vereinten Nationen einen Vortrag über den Klimawandel halten. Deshalb war er in Bremerhaven in Eile. Zusammen mit seinem Sohn und dessen Cousins rekonstruierte er ein Fale, einen traditionellen Pfahlbau, den er zuvor auf Samoa abgetragen hatte. Nur die Polynesier beherrschen diese Bautechnik.

Samoa liegt auf der anderen Seite der Weltkugel, auf dem 171. Längengrad. Genau das ist die Verbindung zu Bremerhaven. Im Klimahaus, das den Zusatz "8º Ost" trägt, reist der Besucher entlang dem 8. Längengrad 38 000 Kilometer in Nord-Süd-Richtung durch die Klimazonen, jenseits der Antarktis auf dem 171. Längengrad wieder zurück.

Im Inneren der Anlage herrscht in den Tagen vor der Eröffnung Hochbetrieb. "Das wird schon", beschwört Arne Dunker, Geschäftsführender Gesellschafter der Klimahaus Betriebsgesellschaft, seine Mitarbeiter. Noch ist längst nicht alles fertig, doch die Reise, beginnend in Bremerhaven, ist schon jetzt beeindruckend. "Das Prinzip ist, dass wir die Lebensumstände der Menschen an den Stationen entlang dem 8. Längengrad erläutern", sagt Klimahaus-Sprecher Wolfgang Heumer. Klima, meint Dunker, sei nur eine statistische Größe. "Wir wollen das Phänomen erlebbar machen." Und das auf neun Stationen: Isenthal (Schweiz), Seneghe (Sardinien), Kanak (Niger), Ikenge (Kamerun), Königin-Maud-Land (Antarktis), Aleipata (Samoa), Gambell (Alaska), Langeneß und schließlich wieder Bremerhaven.

Die Reise beginnt mit einem Sprung von der Waterkant auf eine Schweizer Alm mit Hochgebirgsklima. Hier kann man Kühe melken, ehe es weiter nach Sardinien geht, wo der Besucher plötzlich die kafkaeske Perspektive eines Insekts einnimmt und das gigantische Gras meterhoch um ihn herum wächst. "In der Kräuterwiese wird es 30 Grad warm sein, und ein leichter Kräuterduft liegt in der Luft", sagt Heumer. Im Moment riecht es nur nach Farbe und Staub.

Aber immerhin zirpt es schon im ganzen Raum. Die Geräuschinstallation, von krakeelenden Aras bis zu musizierenden Berbern, funktioniert. Weiter geht's: In der nachgebildeten Wüste im Niger ist es noch wärmer - 35 Grad und staubtrocken. Auch an der nächsten Destination Kamerun bleibt es heiß. Durch einen Regenwald schlängelt man sich erst in ein kleines Dorf, dann durch eine Flusslandschaft. Nur die Fische fehlen noch. In der Antarktis dann das andere Extrem: Minus sechs Grad werden in diesem Raum mit echtem Eis gemessen. Wer vor Temperaturschwankungen von fast 30 Grad zurückschreckt, der kann einen anderen Weg wählen.

Von hier aus marschiert man wieder in wärmere Regionen, nach Samoa, wo Foua Toloa und seine Helfer gerade werkeln. "Durch den Klimawandel steigt der Meeresspiegel, die Korallen bleichen aus, die Wirbelstürme häufen sich", sagt er. Für seine Heimat könnte das langfristig das Aus bedeuten, viele pazifische Inseln werden vermutlich schon in diesem Jahrhundert nicht mehr bewohnbar sein. Das sei der Grund für sein Engagement, sagt Toloa. Ähnlich geht es übrigens den Schweizer Bergbauern, die ihr Dorf am Fuße eines abtauenden Gletschers verlassen müssen. Die Bedrohung der Lebensräume war ein entscheidender Faktor des Konzepts.

Auf der Reise durch die Klimazonen und die neun dazugehörigen Ökosysteme kommt man vorbei an großen Aquarien, an der Tundra Alaskas und schließlich, schon auf dem Rückweg nach Bremerhaven, noch an Langeneß. In der Hallig-Animation zieht Nebel auf, langsam steigt das Wasser - bis man nur noch in einem kleinen runden Areal trockene Füße behält. Da heißt es zusammenrücken.

Was dagegen schon reibungslos funktioniert, sind die Filmaufnahmen von Ben Zion (B. Z.) Goldberg, die von den Bildschirmen flimmern. Der amerikanisch-israelische Filmemacher ist mit dem Hamburger Axel Werner an alle Originalschauplätze von der Schweiz bis Alaska gereist. Dort haben ihnen die Menschen von ihrem Leben erzählt.

Neben dem Erlebnisabschnitt gibt es drei weitere Ausstellungsbereiche. Im Teil "Elemente" können die Besucher an mehr als 100 interaktiven Exponaten selbst Experimente machen, zum Beispiel einen kleinen Sturm auslösen oder einen Vulkanausbruch erleben. Der Teil "Perspektiven" widmet sich dem Klimawandel. Und im Teil "Chance" werden dem Gast Möglichkeiten gezeigt, wie er zum Beispiel seinen CO2-Ausstoß verringern kann. Die ganz persönliche Bilanz eines Besuchs im Klimahaus soll übrigens 35 000-mal geringer sein, als würde man die Strecke in der realen Welt einmal abfliegen.

Wie eine Wolke oder ein Wassertropfen, der gerade auf den Boden platscht, sieht der Baukörper im Alten Hafen aus. Die spektakuläre Fassade mit 4700 gewölbten Glasscheiben verhüllt 11 500 Quadratmeter Ausstellungsfläche. Das 102 Millionen Euro teure Gebäude erinnert an das Wissenschaftszentrum "Universum" in Bremen. Kein Zufall: Hinter dem Klimahaus stehen Petri & Tiemann, die gleichen Betreiber. Auch der Entwurf stammt vom selben Architekten, dem Bremer Thomas Klumpp.

Kurz bevor er nach New York abreist, sagt Foua Toloa noch einmal, worum es ihm bei diesem Projekt geht: "Das Klimahaus sorgt dafür, dass die Leute den Klimawandel verstehen. Und es zeigt ihnen, dass jeder dafür ein Bewusstsein entwickeln muss."