Die Primaten, zu denen auch der Mensch zählt, unterscheiden sich von anderen Säugetieren vor allem durch die Größe ihres Gehirns.

Doch zu Beginn ihrer Entwicklung war das nicht so, ergab die Analyse eines 54 Millionen Jahre alten Urprimaten.

Demnach entwickelte sich das Denkorgan erst im Lauf vieler Millionen Jahre zu seiner beeindruckenden Größe und Struktur. Die jetzt in der Fachzeitschrift "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS, online vorab) veröffentlichte Untersuchung widerlegt gängige Annahmen über die Ursache des erstaunlichen Hirnwachstums.

Vor etwa 65 Millionen Jahren starben die Dinosaurier aus. Schon in den folgenden zehn Millionen Jahren entstanden mit den sogenannten Plesiadapiformen die ersten bekannten Primaten, zu deren Nachkommen auch Affe und Mensch zählen. Ihre Verwandtschaft mit dem Homo sapiens lässt sich allerdings auf den ersten Blick nicht ahnen.

Der Urprimat Ignacius graybullianus hatte etwa die Größe eines Hamsters und wog rund 150 Gramm. Er ist kein direkter Vorfahr des Menschen, sondern lässt sich im Primatenstammbaum eher an einem frühen Seitentrieb verorten, "als Cousin jener Hauptlinie, die direkt zu uns geführt hat", sagt der Paläontologe Jonathan Bloch von der Uni Florida.

Ein im US-Staat Wyoming gefundener und für das Alter von 54 Millionen Jahren erstaunlich gut erhaltener Schädel des Urtiers gewährt einen faszinierenden Einblick in die frühe Entwicklung der Primaten. Bisher nahmen Forscher an, dass das Leben auf Bäumen und der Verzehr von Obst die Hirnentwicklung förderten. "Die meisten Erklärungen zur Evolution von Primatengehirnen basieren auf Daten lebender Primaten", sagt die Anthropologin Mary Silcox von der Universität Winnipeg. "Nun stellt sich heraus, dass die meisten Folgerungen falsch waren."

Bloch und Silcox durchleuchteten den rund vier Zentimeter langen Schädel per Computertomografie auf über 1200 Ebenen und erstellten ein dreidimensionales Modell des fingerhutgroßen Gehirns. Dessen Größe unterschreitet die der heutigen kleinsten Primaten bei Weitem, obwohl er ein Baumbewohner war und sich meist von Obst ernährte. Damit scheiden diese beiden Faktoren als Ursache der Hirnevolution aus.

Zudem zeigt die Analyse, dass sich der Urprimat hauptsächlich auf seine Nase verließ. Möglicherweise wuchs das Gehirn im Rahmen der Entwicklung, bei der das Sehvermögen den Geruchssinn als wichtigste Wahrnehmungsquelle verdrängte.