Anlässlich eines internationalen Expertentreffens in Bonn zur Vorbereitung des UN-Klimagipfels im Dezember forderten Umweltverbände entschlossenes Vorgehen der Industriestaaten gegen die Erderwärmung und finanzielle Unterstützung für die vom Klimawandel am stärksten betroffenen armen Länder. Die Industrieländer haben sich noch nicht auf gemeinsame mittelfristige Zielvorgaben für die Minderung ihrer Treibhausgase verständigt.

Bonn. Klimaschützer von Greenpeace, Germanwatch und BUND forderten die Industrieländer auf, konsequent eigene ehrgeizige Klimaziele zu verfolgen. Gleichzeitig sollten Deutschland und anderen Nationen die vom Klimawandel am stärksten getroffenen armen Länder mit Milliardenhilfen bei der Anpassung an die Erderwärmung unterstützen. An dem zwölftägigen Treffen dem bis zum 12. Juni mehr als 3000 Experten aus 190 Staaten teil. Zur Vorbereitung des UN-Klimagipfels im Dezember in Kopenhagen sollen in Bonn neue Vereinbarungen für ein Nachfolge-Abkommen des 2012 auslaufenden Kyoto-Protokolls diskutiert werden.

Die Industrieländer müssten auch mitten Finanz- und Wirtschaftskrise zeigen, wie ernst es ihnen wirklich mit dem Klimaschutz sei, forderte Christoph Bals von Germanwatch. Die Industriestaaten sollten ein großes globales Finanz- und Technologiepaket unterstützen, um die Wirtschaftskrise, die Klimakrise und die drohende Energiepreiskrise gemeinsam zu bekämpfen.

Nach monatelangen Beratungen liegen jetzt in Bonn erstmals konkrete Texte als Verhandlungsgrundlage bis zum Kopenhagener Gipfel vor. Germanwatch zufolge müssen die Industrienationen jährlich rund 115 Milliarden Euro zugunsten der Klimaschutzpolitik der Entwicklungs- und Schwellenländer aufbringen. Laut Greenpeace-Klimaexperte Karsten Smid soll sich Deutschland mit sieben Milliarden Euro jährlich am weltweiten Klimaschutz beteiligen. Für die Entwicklungsländer sei Finanzhilfe die Voraussetzung, um überhaupt weiter zu verhandeln. „Das ist kein Almosen, sondern die Begleichung der historischen Klimaschuld.“

Umweltorganisationen und Entwicklungsländer kritisierten, dass die Industrieländer noch keine Vorschläge zur Finanzierung von klimafreundlichen Technologien und von Anpassungsmaßnahmen an die Folgen des Klimawandels in ärmeren Ländern präsentiert hätten und erwarten daher noch keinen Durchbruch in Bonn.

Ziel des neuen Abkommens ist eine mittel- und langfristige Verminderung klimaschädlicher Treibhausgase. Nach Einschätzung von Wissenschaftlern muss die Erderwärmung bis Ende des Jahrhunderts auf zwei Grad Celsius begrenzt werden, um eine Katastrophe für das Leben auf der Erde noch zu vermeiden.

Der Chef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Hans Joachim Schellnhuber hofft einem Zeitungsbericht zufolge auf ein Abkommen in Kopenhagen, „das in irgendeiner Weise der Dramatik der Situation gerecht wird“. Die Klimakrise sei eine beispiellose Herausforderung für die Menschheit. Wenn es nicht gelinge, bis 2015 den Höchststand des weltweiten Ausstoßes an klimaschädlichen Treibhausgasen zu erreichen, werde es sehr schwer, das Ruder noch herumzureißen. Nach 2015 müsse der CO2-Ausstoß am dann jährlich um drei bis vier Prozent sinken.

Die Industrieländer haben sich jedoch noch nicht auf gemeinsame mittelfristige Zielvorgaben für die Minderung ihrer Treibhausgase verständigt. Die Europäische Union hat bis 2020 eine Reduzierung um 20 Prozent im Vergleich zu 1990 zugesagt und will auf 30 Prozent erhöhen, falls andere Länder entsprechend mitziehen. Die USA - neben China der weltweit größte Klimasünder - haben bisher eine Verringerung um 17 Prozent bis 2020 gegenüber 2005 ins Auge gefasst - gegenüber 1990 nur eine Minderung um etwa 4 Prozent.

Die Entwicklungsländer fordern von den Industrieländern aber Minderungen von 25 bis 40 Prozent bis 2020 im Vergleich zu 1990. Umweltorganisationen und auch China verlangen sogar mindestens 40 Prozent. China und andere Schwellenländer wie Indien wollen keine eigenen Verpflichtungen eingehen, wenn die Industrieländer nicht ihren Forderungen entgegenkommen.