Die 47 Millionen Jahre alte Versteinerung stammt aus der Grube Messel bei Darmstadt. Forscher präsentierten das Stück in New York.

Vor 47 Millionen Jahren kletterte ein etwa 60 Zentimeter großes Affenmädchen durch den tropischen Regenwald von Messel, einem Gebiet nahe dem heutigen Darmstadt. Auf seiner Klettertour naschte es an Blättern und Früchten. Jetzt wurde es zum Weltstar. Im New Yorker Naturhistorischen Museum präsentierte ein internationales Wissenschaftlerteam am Dienstag den Sensationsfund.

"'Darwinius masillae', wie der wissenschaftliche Name lautet, kann ein gemeinsamer Vorläufer von Menschenaffe und Mensch sein, er kann aber auch zu einem Seitenast im Primatenstammbaum gehören. In jedem Fall ist das Fossil der kompletteste und besterhaltenste Primat, der weltweit jemals gefunden wurde", sagte Dr. Jörg Habersetzer dem Hamburger Abendblatt. Der Paläobiologe und Radiologe hat in den vergangenen zwei Jahren Ida, wie der norwegische Forscher Jörn Hurum sein Fossil zu Ehren seiner kleinen Tochter taufte, am Senkenberg-Forschungsinstitut in Frankfurt am Main untersucht.

Man habe die Knochen, die Rippen, den Schädel, sogar feinste Knochenstrukturen, Gewebereste, die Zähne, die Zahnwurzeln erkennen können, freut sich der Wissenschaftler. Und sogar den Mageninhalt der möglichen "Urururgroßtante" habe man bestimmen können.

Die Geschichte von Ida beginnt vor gut zwei Jahren in Hamburg. Auf der Fossilienbörse trifft der norwegische Paläontologe Jörn Hurum, der am Naturhistorischen Museum der Universität Oslo arbeitet, zufällig auf einen Händler. Dieser zeigt im Auftrag eines Sammlers Bilder des Fossils, das bereits 25 Jahre bei einem Privatsammler lagerte. Denn es wurde bereits 1983 ausgebuddelt; von wem, wissen die Forscher nicht. Aber es bestehe kein Zweifel: Das Fossil ist echt.

Hurum jedenfalls ist sofort elektrisiert. Er habe zwei Nächte nicht schlafen können, weil er immer an dieses Wesen habe denken müssen, zitiert die US-Zeitung "The Gainesville Sun" Hurum. Er fasst einen Plan. Um das Fossil für die Forschung zu retten, sucht Jörn Hurum Geldgeber. Er ist erfolgreich. Im Sommer 2007 ist der Handel perfekt, in Bad Homburg kauft Jörn Hurum das Fossil. Der Preis bleibt geheim. Doch mindestens 100 000 Euro, eher allerdings eine Million Euro, wird das Fossil gekostet haben.

Dann schart der Paläontologe ein internationales Team um sich, zu dem die deutschen Forscher Jens Lorenz Franzen und Jörg Habersetzer vom Senckenberg-Forschungsinstitut, Wighart von Königswald von der Uni Bonn und die beiden US-Forscher B. Holly Smith und Philip D. Gingerich von der University of Michigan gehören. Sie analysieren den Jahrhundertfund, der nach ihrer Einschätzung auch grundlegend neue Informationen über die Evolution des Menschen bietet.

Der Ölschiefer der Grube Messel hat Ida optimal konserviert. Der sensationelle Fund zeigt den Affen-Urahn von der Seite. Mit seinem langen Schwanz und schlanken Körperbau erinnert das Fossil zunächst an die heute auf Madagaskar lebenden Lemuren. Aber Ida hat, sagt Jörg Habersetzer, eben auch Merkmale von solchen Affenarten, aus denen sich heutige Affen und die Menschen entwickelt haben könnten. "Es ist der älteste Primat, der einige Merkmale heutiger Menschenaffen und Menschen, wie beispielsweise eine trockene Nase, aufweist."

Ob Ida wirklich der gesuchte Urahn ist, darüber diskutieren seit Dienstag bereits einige Experten in Internet-Blogs. Doch nicht nur über die wissenschaftliche Qualität wird gestritten, auch über die Vermarktung dieses Fundes. Denn Ida ist mit einer bis dahin in der Wissenschaft nie gekannten Werbekampagne angekündigt worden.

Informationen im Internet: www.plosone.org