Das Rekord-Kraftwerk produziert so viel Energie, wie 600 Haushalte brauchen. In 16 Jahren haben sich die elf Millionen Euro Kosten bezahlt gemacht.

Sie erstreckt sich über 2,7 Kilometer und ist die wohl längste Fotovoltaik-Anlage der Welt: Oberhalb der Autobahn 3 zwischen Hösbach und Aschaffenburg in Franken (Bayern) wird Strom produziert - im ersten Bauabschnitt schon seit März, seit Anfang Mai nun auf ganzer (Anlagen-)Länge. Die schier endlos wirkenden Modulreihen ruhen auf einer Lärmschutzkonstruktion.

Der Schallschutz an der A 3 ist schon ohne Solaranlage außergewöhnlich: Weil einige Wohnhäuser nach einer Verbreiterung von vier auf sechs Fahrstreifen nur 50 Meter von der Autobahn entfernt stehen, war Lärmschutz dringend nötig. Aber es fehlte der Platz für einen Erdwall - die Schnellstraße bekam deshalb in den Jahren 2001 bis 2005 eine Betonhülle, sie wurde "eingehaust". Im Sommer 2008 erhielt das örtliche Elektrizitätswerk Goldbach-Hösbach (EGH) dann den Zuschlag der Autobahndirektion, das rekordverdächtige Solarkraftwerk zu installieren.

Es hat eine Gesamtleistung von 2,8 Megawatt und kann rechnerisch 600 Haushalte versorgen. Wenn das Wetter mitspielt, werden sich die auf elf Millionen Euro geschätzten Investitionskosten innerhalb von 16 Jahren auszahlen. Sigrid Neumayr, stellvertretende Geschäftsführerin des EGH, ist mit der bisherigen Stromausbeute des ersten Bauabschnitts jedenfalls zufrieden: "Wir kalkulieren mit 950 Sonnenstunden im Jahr. Um die 200 Stunden waren bis Anfang Mai bereits erreicht."

Die Idee, an Lärmschutzbauten mithilfe der Fotovoltaik (PV) Solarstrom zu erzeugen, ist nicht neu. Bereits 1989 entstand in der Schweiz, an einer Lärmschutzwand entlang der A 13 in Graubünden, die weltweit erste Solarwand. Inzwischen schmücken weitere PV-Lärmschutzwände oder -wälle Autobahnen des Alpenlandes, und in Deutschland gibt es erste Demonstrationsprojekte. Aber so richtig ist die Kombination Schallschutz plus Solarstromernte noch nicht in Fahrt gekommen.

"Hier treffen zwei Welten aufeinander: zum einen die Bauverwaltung, die den Schallschutz garantieren muss und ihn möglichst kostengünstig realisieren will, zum anderen die Betreiber, also Kommunen, Bürgergemeinschaften oder Elektrizitätswerke, die in die PV-Anlage investieren und mit ihr Geld verdienen wollen", erklärt Markus Auerbach vom Referat Umweltschutz der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt). Er kennt neben dem fränkischen Vorzeigeprojekt noch einige weitere Beispiele für gelungene Doppelnutzungen, hauptsächlich in Bayern, eines im Saarland.

Wie viele Schallschutzanlagen bundesweit bereits PV-Module tragen, kann er jedoch nicht sagen - "es gibt keine Statistik über die Projekte".

Das Potenzial für die Ökostromproduktion an Schnellstraßen ist riesig: Mehr als 3000 Kilometer Lärmschutzwände und -wälle flankieren deutsche Autobahnen und Bundesstraßen, bei einem Großteil von ihnen ließen sich PV-Module installieren. Thomas Nordmann von der Schweizer Firma TNC Consulting, der bereits die erste Anlage 1989 geplant und realisiert hat, schätzt den Anteil optimistisch auf 80 Prozent. Die solaren Kraftwerke werden nach dem EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) wie Dachanlagen vergütet.

Besonders gut geeignet seien Trassen in Ost-West-Richtung, sagt Auerbach: "Dort gibt es eine Südseite, die sich optimal nutzen lässt. Wenn Sie einen Wall mit einer aufgeständerten PV-Anlage bestücken, dann rechnet sich das von Nord- bis Süddeutschland. Und zusätzlich verbessern Sie den Schallschutz, denn die Module reflektieren den Schall nach oben." Eine solche Konstruktion gebe es zum Beispiel bei Mühldorf am Inn: "Alle gewinnen bei dem Projekt; die Einzigen, die dort leiden, sind die Eidechsen. Die Bauträger mussten einen Ausgleich dafür schaffen, dass jetzt ein Teil des Eidechsen-Lebensraumes auf dem Wall durch die Module beschattet ist."

Schwieriger wird es bei Lärmschutzwänden mit Nord-Süd-Ausrichtung. Als senkrechte Konstruktionen können sogenannte bifaciale Module sinnvoll sein, die beidseitig Solarzellen tragen. Die nach Osten gewandte Seite kann die Morgensonne nutzen, die Westseite spätnachmittags Strom erzeugen.

Um die kilometerlange Sonnennutzung in Fahrt zu bringen, ließ Auerbach einen Behördenleitfaden erstellen. Er wird morgen und übermorgen (19./20. Mai) in München Vertretern des Bundesverkehrsministeriums und der Straßenbauverwaltungen vorgestellt.

In Hösbach und Goldbach ist man bereits weiter. Während die Anwohner beim Projektbeginn anno 2008 noch sehr skeptisch waren, werde der solare Lindwurm inzwischen akzeptiert, meint Sigrid Neumayr und liefert gleich dazu die Begründung: "Die an sich hässliche Einhausung der Autobahn wird jetzt sinnvoll genutzt." Das EGH will nun die Bürger am Solarkraftwerk beteiligen. "Wir bereiten derzeit den Verkauf von Anteilen vor", so Neumayr. "Es gibt schon Nachfrage danach. Dabei werden wir bevorzugt an Ortsansässige verkaufen." Wenn sie schon auf eine Betonröhre schauen müssen, so können sie durch die PV-Module wenigstens ein bisschen Geld dabei verdienen.