Wenn ein Fußball durch die Luft fliegt, spielt Physik eine große Rolle. Metin Tolan (42), Professor für experimentelle Physik in Dortmund, und der englische Physiker John Wesson haben einige fußballphysikalischen Phänomene gesammelt.

Wenn ein Fußball durch die Luft fliegt, spielt Physik eine große Rolle. Metin Tolan (42), Professor für experimentelle Physik in Dortmund, und der englische Physiker John Wesson haben einige fußballphysikalischen Phänomene gesammelt. Einige von ihnen stellt das Abendblatt in vier Teilen vor. Heute Folge zwei.

Schneller als der Fuß Nicht die Geschwindigkeit muss beim Stoß gleich bleiben, wie Laien oft annehmen, sondern der Impuls, sagt Metin Tolan - also das Produkt aus Masse und Geschwindigkeit (landläufig Wucht genannt). Wer je gegen einen Medizinball getreten hat, kann bestätigen: Das Ballmonster fliegt, wenn überhaupt, langsamer als ein Plastikball. Beim Schuss wirkt nicht nur die Masse des Fußes, sondern die des ganzen Beines auf den Ball ein - und dies verstärkt durch die enorme Hebelwirkung, wenn sich das Bein um seine Gelenkpfanne in der Hüfte und zusätzlich das Knie ums Kniegelenk dreht. Wesson präsentiert als Faustregel: "Der Ball fliegt gut 1,3-mal so schnell weg, wie der Fuß auf ihn auftraf." Bei einem härteren Schuss erreicht der Fuß ein Tempo von rund 80 km/h, der Ball saust folglich mit 105 km/h davon.

Kopfball mit Risiko Wie viel Wums in einem schnellen Ball stecken kann, bekommen Kicker mitunter schmerzhaft zu spüren, etwa wenn sie einen schnellen Abschlag des gegnerischen Torhüters frontal mit der Stirn parieren. "Das ist wie ein Faustschlag", sagt Fritz Siemsen, Professor für Physik-Didaktik an der Universität Frankfurt am Main. Gefährlich kann der Kontakt sein, wenn der Schädel unvorbereitet getroffen wird. Üblicherweise wappnet sich der Spieler gegen den Aufprall, indem er kurz zuvor die Nackenmuskeln anspannt - der Ball prallt quasi ab, nimmt einen Großteil seiner Energie wieder mit. Zusätzlich kann der Abwehrspieler Ball-Energie in der Rückenmuskulatur unschädlich machen. Beim unvorbereiteten Kopfball stößt der Ball den Kopf regelrecht weg. "Bei einem 80 Kilometer pro Stunde schnellen Ball macht die auf den Kopf einwirkende Kraft ungefähr das 50-Fache seines Gewichts aus", errechnete Wesson. Ohnmacht, Gehirnerschütterung, schlimmstenfalls eine Hirnblutung können die Folgen sein.

Die Kunst der Ballannahme Technisch perfekte Kicker schaffen es, einen schnellen Flankenball so anzunehmen, dass er wie tot auf dem Spann liegen bleibt. Tolan: "Dazu muss man den Fuß mit einer bestimmten Geschwindigkeit und in der gleichen Richtung zurückziehen, in die der zu stoppende Ball fliegen will." Wie rasch man den Fuß zurückziehen muss, hängt davon ab, wie elastisch der Ball ist. Einen schlappen Ball kann man mit einem langsamer bewegten Fuß annehmen als einen hart aufgepumpten. In Wessons Buch findet sich für das einzuhaltende Fußtempo die Formel "Ballgeschwindigkeit mal Elastizitätszahl geteilt durch eins plus Elastizitätszahl". Steigt ein Ball, der aus drei Metern Höhe auf harten Boden aufgeprallt ist, anschließend zwei Meter hoch, dann hat er die Elastizitätszahl "2 geteilt durch 3", also rund 0,67. Daraus ergäbe sich, dass ein mit 50 km/h anfliegender Ball mit einem Fuß zu stoppen ist, der 20 km/h schnell bewegt wird.

Gute Fußballer rechnen so etwas nicht aus, sondern kennen das angemessene Tempo aus Erfahrung.

Kaum Zeit zum Stoppen Eine der schwierigsten Übungen ist das Anhalten eines von vorne heranfliegenden Balles unter dem Fuß. Dies gelingt nur, wenn der Spieler seinen hochgestellten Schuh exakt in jenem Moment über den Ball bringt, da dieser wieder abspringen will - er klemmt ihn quasi unter der Sohle ein. Das Zeitfenster hierfür ist jämmerlich eng: Für einen 50 km/h schnellen Ball bleiben dem Stopper nach Berechnungen John Wessons gerade einmal zwei Hundertstel Sekunden - klar, dass Ungeübte daran oft scheitern.