Immer mehr junge Mädchen brechen eine Schwangerschaft ab. Teenager brauchen kompetente Ansprechpartner auf dem schwierigen Weg zum Frausein.

Der erste Freund, die erste Regel, der erste Liebeskummer - die Zeit, in der aus Mädchen Frauen werden, ist nicht einfach. Der Körper fühlt sich an wie eine Großbaustelle, und die Gefühle fahren Achterbahn. Erwachsenwerden ist nicht leicht. Besonders problematisch wird es dann, wenn Mädchen, die oft nicht wissen, ob sie noch Kind oder schon Frau sein wollen, selbst schwanger werden. Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche bei minderjährigen Mädchen steigt stark an: Sie wuchs allein von 2000 auf 2001 um ein Fünftel von 6337 auf 7605, erklärte Dr. Gisela Gille, Vorsitzende der Ärztlichen Gesellschaft zur Gesundheitsförderung der Frau (ÄGGF), beim Gynäkologenkongress in Düsseldorf. Ebenso nahm bei Mädchen unter 15 Jahren die Zahl der Abbrüche um 20 Prozent zu. Geschlechtsverkehr habe nach Angaben der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung im Jahr 2001 bereits jede zehnte 14-Jährige und jede vierte 15-Jährige gehabt. Wenn Mädchen dann schwanger werden, wollen viele es zunächst nicht wahr haben. "Für das Ausbleiben der Regel werden andere Gründe gesucht, nach dem Motto: Es kann nicht sein, was nicht sein darf", so Gille. Außerdem hätten viele Mädchen Angst, sich zu offenbaren. Das könne dazu führen, dass sie die ersten drei Monate verstreichen lassen, in denen noch ein Abbruch möglich gewesen wäre. "Erst wenn die Schwangerschaft nicht mehr zu verbergen ist, offenbaren sie sich ihren Eltern", so Gille. Im Jahr 2000 brachten fast 4800 minderjährige Mädchen in Deutschland ein Baby zur Welt, so das Statistische Bundesamt. Die Zahl der Mütter bei den unter 16-Jährigen stieg von 425 im Jahre 1998 auf 466 im Jahr 2000. "Einer der Gründe dafür ist, dass die Pubertät immer früher einsetzt", erklärt Dr. Gille. Das mittlere Alter für das Einsetzen der Menstruation liegt zurzeit bei 12,5 Jahren. Der früheste normale Termin für die erste Regel ist mit neun Jahren. "Wenn der Körper hormonell zu einer Menstruation in der Lage ist, ist damit auch sexuelle Lust verbunden", so die Ärztin. "Eine Folge dieses frühen Einstiegsalters in die Sexualität ist, dass etwa 18 Prozent der 14- bis 15-jährigen Mädchen beim ersten Geschlechtsverkehr nicht verhüten", berichtete Gille. Der Hauptgrund dafür, so eine Statistik der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung: Die erste sexuelle Begegnung kam zu spontan. "Viele Mädchen denken zunächst nur an Händchenhalten und ,Knutschen'. Wenn die Zärtlichkeiten intensiver werden, sind sie noch nicht reif genug, um die weitere Entwicklung richtig einzuordnen. Auch ein Junge mit 15 Jahren kann sich noch nicht richtig steuern", so Gille. Das zeige auch, dass Aufklärung allein nicht reiche, betont Gille, obwohl sie auch sagt, dass keine Jugend so aufgeklärt sei wie die heutige. Die Aufklärung über anatomische und physiologische Abläufe im Biologieunterricht sei zwar notwendig, habe aber nichts mit dem eigenen Empfinden und dem realen Erleben zu tun. Jugendliche suchen jetzt Informationen von außen, und es müsste zusätzlich entwicklungsbegleitende, kompetente Gesprächsangebote für Mädchen geben, in denen sie persönliche Fragen stellen können, fordert die Ärztin. Ein Beispiel: "Mein Freund sagt, er liebt mich und möchte mit mir schlafen. Was soll ich jetzt tun?" Verantwortliches Verhalten werde nicht dadurch erreicht, dass man Mädchen nur über die Pille aufklärt, sondern man müsse ihnen auch helfen, die Entwicklung ihres Körpers vom Kind zur Frau zu begreifen. "Ein Mädchen erzählte, sie habe im vergangenen Monat zweimal die Pille vergessen und trotzdem mit ihrem Freund geschlafen, und es sei nichts passiert. Sie folgert daraus, dass das Vergessen der Pille doch gar nicht so schlimm sein könne. Dieses Beispiel zeigt, dass in diesem jungen Alter überhaupt keine Vorstellung von den zyklischen Abläufen der Fruchtbarkeit existiert", so Gille. Für den Aufklärungsunterricht in der Schule bedeutet das: "Es sollte neben dem rein anatomischen Unterricht für Mädchen und auch für Jungen geschlechtsspezifisch die Möglichkeiten geben, mit einem gleichgeschlechtlichen Ansprechpartner über Fragen der Sexualität zu reden", so Dr. Gille.