SCHLAGANFALL. Häufig kündigt sich diese gefährliche Erkrankung an. Dann zählt jede Minute. Was sind die Warnsignale? Wer ist besonders gefährdet? Experten geben Antwort.

D er Name sagt alles: Ein Schlaganfall trifft den Menschen urplötzlich, wie ein mächtiger Schlag. Oft mit tödlichem Ausgang: In Deutschland ist der Schlaganfall die dritthäufigste Todesursache. Dabei gibt es in jedem dritten Fall vorher Warnzeichen, flüchtige Durchblutungsstörungen des Gehirns. Die Symptome: Sehstörungen (vor allem auf einem Auge), starker Kopfschmerz, Sprachstörungen, das Sehen von Doppelbildern oder Schwindel mit Gangunsicherheit. Nicht immer sind das Vorboten eines Schlaganfalls. Doch das sollte ein Arzt abklären. Information kann Leben retten. Das erfuhren auch die 400 Besucher des 34. Gesundheits-Forums von Hamburger Abendblatt, NDR 90,3 und Hamburg Journal. Experten des AK Altona - hier gibt es eine so genannte Stroke Unit, eine Spezialstation für Schlaganfall-Patienten - gaben Antwort. Was unterscheidet Schlag- anfall und Hirninfarkt? Schlaganfall ist der übergeordnete Begriff bei einem plötzlichen Funktionsausfall im Gehirn. 80 Prozent dieser Schlaganfälle sind Infarkte. Dabei wird ein hirnversorgendes Blutgefäß, eine Arterie, geschlossen durch einen Thrombus oder einen verschleppten Thrombembolus, der häufig aus dem Herzen kommt. Deshalb muss bei einem Hirninfarkt die genaue Ursache geklärt werden, welcher Typ von Schlaganfall vorliegt. Das können wir auf unserer Spezialstation in wenigen Stunden. (Prof. Dr. Axel Müller-Jensen, Chefarzt Neurologie, AK Altona) Wie erkennt man einen Schlaganfall? Leicht zu erkennen sind folgende Symptome: Halbseitenlähmungen der Arme oder Beine, halbseitige Gefühlsstörung oder Gesichtsfeldausfälle, plötzliche Sprachstörungen. Bei Durchblutungsstörungen im Hirnstamm können massiver Drehschwindel, Schluckstörungen oder abnorme Schläfrigkeit auftreten. Manche Symptome werden selbst schlecht wahrgenommen. Etwa bei Störungen der rechten Gehirnhälfte kann der Patient die Störungen oft nicht bemerken, selbst wenn er linksseitig bereits hochgradig gelähmt ist. (Dr. Hubert Hahm, niedergelassener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie) Kündigen starke Kopf- schmerzen Schlaganfall an? Bei plötzlich auftretendem Schmerz kann das sein. Chronische Kopfschmerzen wie Migräne haben andere Ursachen von Erkrankung der Nasennebenhöhlen bis zu den Zähnen. Das muss ein Neurologe abklären. (Dr. Müller-Jensen) Bin ich mit einem Bluthochdruck über 200 besonders gefährdet? Ihr Bluthochdruck sollte gut eingestellt sein. Ein zu hoher Blutdruck gilt als Risikofaktor für den Hirninfarkt und erst in zweiter Linie für den Herzinfarkt. (Dr. Christoph Diefenbach, Kardiologe, AK Altona) Können Durchblutungs- störungen im Herzmuskel zum Schlaganfall führen? Nein, die Durchblutungsstörung des Herzmuskels hat keine Auswirkung auf den Zustand des Gehirns. (Dr. Diefenbach) Wie können Sie erkennen, was sich im Kopf abspielt? Mit der Computertomographie und der Kernspintomographie als Techniken der Zukunft. Damit können wir das Ausmaß des Schadens und das Kerngebiet des Schlaganfalls erkennen und die Teile, die durch weitere Maßnahmen geschützt werden können. Wir können Gerinnsel im Gehirn auflösen und eingeengte Adern mit Kathetertechnik (Stents, Drahthülsen) aufweiten. (Dr. Andreas Leppien, Neuroradiologe, AK Altona) Soll ich bei Schlaganfall- symptomen erst den Haus- arzt benachrichtigen? Nein, bei konkretem Verdacht auf Schlaganfall, wie einer Halbseitenlähmung oder beim Ausfall der Sprache, sollten Sie sofort den Notruf 112 alarmieren und sich ins Krankenhaus bringen lassen, sonst geht wichtige Zeit verloren. (Prof. Müller-Jensen) Sind Männer mehr gefährdet als Frauen? Nein, vor den Wechseljahren sind Frauen durch ihre Hormone etwas besser geschützt vor Schlaganfall. Ansonsten herrscht auf dem Gebiet Gleichberechtigung. (Prof. Dr. Eckard Halves, Chefarzt Neurochirurgie, AK Altona) Welche Beschwer- den bleiben nach einem Schlaganfall zurück? Das ist sehr unterschiedlich, bei einigen Patienten gehen die Lähmungen zurück, bei anderen bleiben sie. Wichtig ist ein früher Beginn der Rehabilitation, noch auf der Station im Krankenhaus, danach in einer Reha-Klinik und anschließend zum Beispiel ambulant in der Nähe des Wohnorts. (Privatdozent Dr. Christian Dettmers, Leitender Arzt, Neurologisches Therapiecentrum Hamburg) Können sich Lähmungen nach einem halben Jahr noch bessern? Die Lernprozesse nach einem Schlaganfall sind oft langwierig. Es geht um das Lernen im Kopf. Verhaltensweisen müssen wie bei einem Kleinkind mühsam wieder angeeignet werden. Das kann lange dauern. (Birgitta Stein, Physiotherapeutin, AK Altona) Gibt es neue Therapien bei Lähmungen? In einigen Fällen hilft eine noch selten angewandte Therapie, die Taubsche Bewegungstherapie. Dabei wird bei einer Armlähmung z. B. der gesunde Arm eingebunden, damit der kranke Arm gezielt gefordert wird. Das Ziel: die Gewohnheitsschalter im Gehirn auszuschalten. Das ist sehr anstrengend und mit drei Stunden Training am Tag verbunden, und ist nur für bestimmte Patienten geeignet. (Dr. Dettmers) Steigt das Schlaganfall- risiko durch Krampfadern? Nein, Krampfadern sind Venen, die Blutversorgung des Gehirns läuft über Arterien. (Dr. Diefenbach) Wie schmerzhaft sind Untersuchungen bei Verdacht auf Schlaganfall? Sie sind schmerzlos und ungefährlich. Getestet werden die Reflexe, Kraft und Koordinationsfähigkeit. Mit Ultraschall wird der Zustand von Hals- und Hirnarterien überprüft. (Dr. Hubert Hahm, niedergelassener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie) Meine Mutter und Großmut- ter hatten Schlaganfälle. Jetzt habe ich auch Angst! Bei Häufung in der Familie gibt es ein erhöhtes Risiko. Sie sollten eine Vorsorgeuntersuchung machen lassen, zum Beispiel bei einem Neurologen oder Internisten. Dann kann Ihnen die Angst genommen werden. (Prof. Müller-Jensen) Führt Stress zum Schlaganfall? Normale Beanspruchung im Arbeitsleben erhöhen das Risiko nicht. Ein Zusammenhang zwischen Stress und Schlaganfall ist nicht stichhaltig, solange damit nicht auch ein erhöhter Blutdruck verbunden ist. (Dr. Dettmers) Muss ich nach einer Star-Operation bangen? Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Augenerkrankung von grauem oder grünem Star und einem Schlaganfall. (Prof. Müller-Jensen) Welche Eingriffe helfen? Neuroradiologen schaffen zum Beispiel Platz in winzigen Größenordnungen, meist an verengten Halsschlagadern mit einem Durchmesser von fünf bis sieben Millimetern. Wir gelangen bis in Gefäße von zwei Millimetern. Zur Erweiterung kann zum Beispiel ein so genannter Stent eingesetzt werden oder das Gefäß wird mit einer Art Ballon aufgebläht. (Dr. Leppien) Was bewirken Operationen? Neurochirurgen können etwa zerstörtes Gewebe im Gehirn entfernen, damit der Druck wieder abnimmt und die Hirnwasserzirkulation wieder in Gang kommt. Das ist ein bescheidener Teil der Neurochirurgie. Der wesentliche Teil liegt bei der Bekämpfung des roten Schlaganfalls, der Blutung. Moderne Geräte und Computer zeigen ganz exakt die erkrankten Stellen an. Prof. Dr. Halves Zusammenfassung: Christoph Rind