DER ROMAN WAS BISHER GESCHAH In Boltenhagen angekommen, steckt Friederike Martin gleich ins Bett. Sein Befinden hat sich erheblich verschlechtert. Maximilian von Wrede, ein Bekannter Sophies, kümmert sich sofort um einen Arzt.

'Friederike:' "Beruhige dich, Martin, sie war besorgt, weil du nicht selbst angerufen hast. Ich habe ihr gesagt, dass du eine Erkältung hast und nach der anstrengenden Fahrt etwas schlafen wolltest. Sie hat es mir geglaubt."

"Du kennst meine Mutter nicht", ein Hustenanfall schüttelte ihn, "Mütter haben einen Instinkt, auch in der Entfernung."

"Mach dir jetzt keine Gedanken darüber, sie hat die Telefonnummer vom Hotel und ruft an, wenn sie sich Sorgen macht."

Ein starker Schüttelfrost erfasste seinen Körper. Friederike legte zwei weitere Decken über das Bett und setzte sich auf den Rand, um ihn zu stützen, und beruhigte ihn.

Dann schlief er wieder ein. Draußen wurde es dunkel. Schneefall hatte wieder eingesetzt, und in Friederike wuchs die Angst. Wo bleibt der Arzt, dachte sie, wenn es so weiterschneit, sind die Straßen sehr schnell wieder zugeweht.

Leise verließ Friederike das Krankenzimmer, um endlich ihr Reisekleid auszuziehen und sich etwas frisch zu machen. Dann hörte sie auf der Straße Motorengeräusch. Sie sah aus dem Fenster und beobachtete zwei Fahrzeuge, die vor dem Hotel hielten. Das muss der Arzt sein, stellte sie fest und lief nach unten.

Maximilian von Wrede hatte tatsächlich den Doktor gefunden und überreden können, mit nach Boltenhagen zu kommen. Als sich die Herren in der Halle den Schnee von den Mänteln klopften, kam auch Sophie und begrüßte beide. Friederike stellte sich vor, erklärte kurz den Verlauf der Krankheit und begleitete den Arzt in Martins Zimmer. "Ich wurde im Krieg als Hilfsschwester ausgebildet und habe in einem Lazarett gearbeitet. Wenn Sie Hilfe brauchen, ich stehe zur Verfügung."

"Danke. Aber jetzt möchte ich erst einmal den Patienten allein ansehen." Als er nach einer Weile Martins Zimmer verließ, sah er sehr besorgt aus. Er kam nach unten in die Diele, wo Friederike mit den anderen ungeduldig wartete. "Es tut mir Leid, ich habe keine gute Nachricht, der Patient hat eine schwere Bronchitis, die sich leicht zu einer Lungenentzündung ausweiten kann. Ich müsste ihn in ein Krankenhaus überweisen, aber bei diesem Wetter ist ein Transport unmöglich. Wir müssen unbedingt eine Lungenentzündung vermeiden." Und zu Friederike gewandt: "Machen Sie weiterhin Wadenwickel, um das Fieber zu senken. Sollte er aber frieren, müssen die Wickel sofort entfernt werden. Er braucht viel Wärme. Sorgen Sie dafür, dass er viel trinkt, Kamillentee, Lindenblütentee oder Holunderblütentee mit Honig sind geeignet. Auch heißer Holundersaft ist sehr gut. Ich schreibe Ihnen Tabletten gegen die Hustenanfälle und Salbe zum Einreiben der Brust auf. Aber die Apotheke ist heute leider schon geschlossen. Und wenn sich der Zustand verschlechtert, müssen Sie mich unbedingt anrufen." Er zog seinen Mantel wieder an und verabschiedete sich. "Ich bin in Eile, ich habe noch Krankenbesuche zu machen, aber ab zehn Uhr bin ich zu Hause zu erreichen. Guten Abend."

Schon war er fort. Sophie ergriff als Erste das Wort. "Ich kümmere mich um die heißen Getränke. Friederike, du wirst die Pflege übernehmen, und du, Maximilian, darfst die Gäste ablenken, sie werden jeden Augenblick hier eintreffen."

Aber Maximilian von Wrede schüttelte den Kopf. "Ich werde den Apotheker aufsuchen, er ist ein Freund von mir und er wird mir die Medikamente auch so geben, wenn ich ihn darum bitte."

Auf dem Konsoltisch an der Wand klingelte das Telefon. Sophie meldete sich und hörte einen Augenblick zu. Dann sagte sie: "Ich hole meine Tochter an den Apparat, einen Augenblick bitte, Herr Stelling."

Friederike fühlte sich sehr beklommen, als sie den Hörer in die Hand nahm. Dann sagte sie ehrlich: "Es geht ihm nicht sehr gut. Wir hatten soeben den Arzt hier und der hat eine schwere Bronchitis diagnostiziert und Medikamente verschrieben, die gerade aus der Apotheke geholt werden."

Aber Patrick ließ sich nicht so schnell beruhigen. "Besteht eine ernsthafte Gefahr, Friederike, ich will die Wahrheit wissen."

"Wir müssen vermeiden, dass sich die Lunge entzündet. Aber ich pflege ihn und ich tu alles, um ihn zu schützen. Und der Arzt kommt jederzeit, wenn wir ihn brauchen."

"Friederike, ich bin morgen Abend in Boltenhagen."

"Aber es schneit schon wieder, die Straßen werden unpassierbar sein."

"Ich nehme den großen Firmenwagen und den Chauffeur, wir kommen durch, verlass dich drauf. Soll ich noch etwas mitbringen?"

"Ja bitte, Wäsche für Martin."

"Danke, Friederike, und mach dir nicht zu große Sorgen. Morgen bin ich da und kümmere mich um euch beide. Grüß Martin von mir, sag ihm aber nicht, dass ich komme, es würde ihn nur beunruhigen."

"Ja. Und danke, jetzt fühle ich mich schon viel besser."

Am nächsten Abend traf Patrick Stelling in Boltenhagen ein.

Achtundzwanzigstes Kapitel

Patrick Stelling kam nicht allein. Er hatte seinen Hamburger Hausarzt Doktor Brückner, einen Pfleger und einen Karton voller Medikamente mitgebracht. Friederike war sehr erleichtert, als sie ihn sah, und Sophie fasziniert von dem gut aussehenden Mann, der nur zwei Jahre älter war als sie selbst. Sie öffnete einen Teil des Hotels, der sonst im Winter unbenutzt war, ließ Zimmer für die neuen Gäste herrichten und bemühte sich sehr, ihr Haus in bestem Licht darzustellen.

Mit Befremden beobachtete Friederike das eifrige Gehabe ihrer Mutter und bat schließlich darum, auch die Zimmer von Martin und ihr eigenes in den abgelegenen Teil des Hauses zu verlegen.

"Deine Gäste werden dann nichts von Martins Krankheit merken, und wir müssen keine Rücksicht nehmen."

Sophie überlegte einen Augenblick. "Du hast Recht, die Krankheit deines Verlobten wird sicher noch eine Zeit lang unser Leben hier bestimmen. Meine Gäste wären ungestört und ihr habt eure Ruhe, ich werde alle nötigen Zimmer herrichten lassen. In zwei Stunden könnt ihr umziehen."

Doktor Brückner untersuchte Martin gründlich, telefonierte mit Doktor Ebermann, der ihn bis jetzt behandelt hatte, und kam zur gleichen Diagnose. Beide befürchteten eine Lungenentzündung und besprachen die Therapie. Dann wurde Martin in das neue Zimmer gebracht, Friederike folgte mit ihren eigenen Sachen und kurz vor Mitternacht kehrte Ruhe im Seitenflügel ein. Minna hatte ein spätes Abendessen für die neuen Gäste serviert, und Patrick traf sich danach mit Friederike im Kaminzimmer. "Ich bin froh, dass du mir die Wahrheit gesagt hast."

"Und ich bin froh, dass ich nicht mehr allein die Verantwortung habe." Dann erzählte sie ihm, was während ihrer Fahrt nach Boltenhagen passiert war. "Und ich bin schuld an allem. Ich wollte unbedingt hierher. Martin wäre sicher umgekehrt, aber er wollte mich nicht enttäuschen. Und dann sind wir in diesen Schneesturm vor Dassow geraten. Er hat mir seinen Mantel gegeben, um mich zu schützen, und ist selbst schutzlos in der Kälte herumgelaufen." Sie brach in Tränen aus. "Es ist alles meine Schuld."

Patrick setzte sich neben sie und legte den Arm um ihre Schulter. "Unsinn, Friederike."

Fortsetzung folgt

Der Roman ist für 19,90 Euro im Buchhandel und in den Abendblatt-Centern Caffamacherreihe 1 (City) und Hagener Allee 3 a (Ahrensburg) erhältlich. Telefonische Bestellungen: 347 265 66, Fax: 347 233 77; per E-Mail: buecher@abendblatt.de

CHRISTA KANITZ

ist Spezialistin

für einfühlsame

Familiengeschichten. Sie studierte

Psychologie

und war viele

Jahre als

Redakteurin tätig.

© Langen Müller, München 2004

Foto: Lundgren / Grafik: Maron