Frauen setzten bei unseren Vorfahren vermutlich die Zweierbeziehung durch. Sie begannen damals, fürsorgliche den starken Männern vorzuziehen.

Knoxville. Frauen wollen starke Männer - wirklich? Ein Blick in unsere Vergangenheit lässt an diesem Klischee Zweifel aufkommen. Frauen und rangniedrige Männer setzten bei unseren Vorfahren wahrscheinlich die Zweierbeziehung durch. Die Frauen begannen damals, nicht die stärksten Männchen als Partner zu wählen, sondern diejenigen, die sich am besten um sie und ihren Nachwuchs kümmerten. Dies waren zunächst meist rangniedrigere Männchen, die sich in Kämpfen nicht durchsetzen konnten und daher die Frauen auf andere Weise umwerben mussten. Diese Partnerwahl der Frauen habe die sexuelle Revolution eingeleitet, die den Menschen heute von seinen promiskuitiven Affenverwandten unterscheide, davon ist Sergey Gavrilets von der University of Tennessee in Knoxville überzeugt.

Im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences" berichtet der Biologe und Mathematiker, welche biologisch plausiblen Verhaltensweisen am ehesten den Wechsel der Sozialstruktur bei unseren Vorfahren erklären. Das hat der US-amerikanische Forscher anhand verschiedener Modelle getestet.

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Wissenschaftler gehen davon aus, dass bei den ersten Vormenschen das Haremsprinzip herrschte: Die ranghohen Männchen der Gruppe paaren sich mit mehreren Weibchen und zeugen relativ viel Nachwuchs, die rangniedrigeren Männchen verlieren die Kämpfe um die Weibchen und gehen oft leer aus. Irgendwann jedoch änderte sich dies: Die intensive Konkurrenz und die Kämpfe um die Weibchen ließen nach, stattdessen etablierte sich eine Zweierbeziehung, bei der jeweils eine Frau und ein Mann mehr oder weniger treu zusammenblieben und ihren gemeinsamen Nachwuchs aufzogen – die Familie entstand. Wann dieser Wechsel stattfand, konnte Gavrilets nicht berechnen. Er vermutet aber, dass dies schon kurz nach der Trennung der Stammeslinie von Affe und Mensch geschehen sein könnte.

„Dieser Wechsel von der Promiskuität zur Paarbindung markierte einen entscheidenden Schritt in der Entwicklung unserer Art“, sagt Gavrilets. Die sexuelle Revolution habe die Kämpfe zwischen den Männchen verringert, die auf Dauer die Gruppe geschwächt hätten. Intensive Fürsorge durch die Eltern habe zudem die Überlebenschancen für den Nachwuchs erhöht und sich für die Art als Ganzes gelohnt. Der Wandel zur klassischen Familie habe viele psychologische, soziale, aber auch körperliche Veränderungen ausgelöst, sagt Gavrilets.

Lange Zeit war unklar, was die treibende Kraft hinter diesem Übergang unserer Vorfahren zur Zweierbindung war. Um das zu klären, hat Gavrilets in seiner Studie verschiedene Verhaltensmuster von Frauen und Männern bei der Partnerwahl simuliert. Er ging dabei von der ursprünglichen, promiskuitiven Sozialstruktur vieler Primatengruppen aus.

In statistischen Berechnungen ermittelte der Forscher, wie sich Fruchtbarkeit, Überleben der Nachkommen und der Energieaufwand der Männer und Frauen veränderten, wenn beispielsweise die Jungen von allen gemeinsam aufgezogen wurden, die Männer ihre Rivalen aktiv bekämpften oder aber wenn sie Sex gegen Nahrung erkauften.

Die Zweierbeziehung, bei der ein Mann und eine Frau längerfristig zusammenbleiben, setzte sich erst dann durch, als der Forscher in seiner fiktiven Gruppe zwei Verhaltensweisen einführte: Fürsorglichkeit als alternative Werbungsstrategie bei den Männern und eine aktive Partnerwahl durch die Frauen, wobei diese diejenigen Männner bevorzugten, die ihnen und ihrem Nachwuchs die besten Überlebenschancen boten.

„Sobald die Frauen begannen, Versorger zu bevorzugen, zahlte sich die Investition der rangniedrigeren Männer in diese alternative Werbungsstrategie statt der normalen Rangkämpfe aus“, erklärt Gavrilets. Die Frauen ihrerseits profitierten von der Fürsorge und blieben daher immer häufiger mit dem einmal gewählten Partner zusammen – die ranghohen, erfolgsgewohnten Männer kamen bei ihnen immer weniger zum Zuge.

Das Ergebnis der Studie zeige damit auch, dass die weibliche Rolle bei der Partnerwahl eine entscheidende Rolle für die menschliche Evolution gespielt habe, meint der Forscher. Viele bisherige Studien hätten dies unterschätzt.